Jetzt kommt 2G
Wo in Thüringen ab Donnerstag nur noch Geimpfte und Genesene eingelassen werden
Erfurt. Wenn Gefahr droht, neigt die Spezies Mensch zur Gruppenbildung. Also standen am Dienstagmittag gleich vier leibhaftige Kabinettsmitglieder vor den Mikrofonen und Kameras, um ihre Beschlüsse zu verkünden.
Zuerst aber sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) den Satz, den er in dieser Pandemie schon sehr oft sagen musste: „Wir haben eine ernste Lage.“Die Krankenhäuser seien voll und die Intensivstationen „an der Leistungsgrenze“, weshalb jetzt, leider, die Regeln wieder verschärft werden müssten.
Die Regeln finden sich in einem Erlass der Landesregierung, der nun an alle Kreise und kreisfreien Städte geht. Sie haben bis Donnerstag oder, in Ausnahmefällen, bis Freitag Zeit, die vom Land vorgegebene Allgemeinverfügung ohne jedwede Änderung zu erlassen.
Spätestens dann wird fast überall 2G herrschen. Das bedeutet: Nur Menschen mit vollem Impfschutz oder dem Nachweis einer Genesung, die nicht länger als ein halbes Jahr zurückliegt, wird noch der Zugang in Gaststätten, Hotels, Bars, Diskos, Kulturveranstaltungen, Fitnessstudios, Saunen, Schwimmbäder oder Freizeitbetriebe gewährt. Auch für „körpernahe Dienstleister“, also etwa den Friseur, ist ein Impf- oder GenesenenAusweis nötig.
Darüber hinaus gelten für alle öffentlichen Veranstaltungen die 2GAuflagen, dazu Masken- und Anzeigepflicht sowie Kontaktnachverfolgung und Begrenzung der Besucherzahl. Bei privaten Feiern in geschlossenen Räumen muss ab 15
Personen jeder geimpft oder genesen sein.
Nicht betroffen sind Kinder, die noch nicht 6 Jahre alt oder nicht eingeschult sind. Jugendliche bis 18 erhalten Zugang mit einem negativen Test, der auch aus der Schule stammen kann, genauso wie Menschen, die sich aus medizinischen Grünen nicht impfen lassen können. Und: Ungeimpfte Beschäftigte in Einrichtungen, für die 2G gilt, können mit einem aktuellen und negativen PCR-Test weiterarbeiten.
Abwarten, was auf Bundesebene noch an Auflagen kommt
Noch nicht dabei sind der Einzelhandel, alle Bildungseinrichtungen einschließlich Fahrschulen, dazu Sportangebote für Kinder, Jugend und Profis. Auch Demonstrationen, Gottesdienste und politische Gremiensitzungen bleiben vorerst von 2G ausgenommen.
Innenminister Georg Maier fasste als SPD-Stellvertreter von Ramelow die neue Situation etwas vergröbert, aber umso pointierter zusammen: „Ungeimpfte können ab sofort an keinen öffentlichen Veranstaltungen mehr teilnehmen.“Und, dies sei nur „ein erster Schritt“. So müsse man abwarten „was auf Bundesebene noch kommt“, zum Beispiel 3G (Geimpft, Genesen oder Getestet) am Arbeitsplatz.
Zudem sei es gut, sagte Maier, dass im überarbeiteten Infektionsschutzgesetz, das der Bundestag am Donnerstag verabschieden will, eine Öffnungsklausel stehe. Damit könnten die Länder eigenständig Kontaktbeschränkungen erlassen.
Überhaupt ließt der Innenminister sehr deutlich erkennen, dass er zu drastischeren Maßnahmen bereit ist, einschließlich einer teilweisen Impfpflicht. Die Lage an den Krankenhäusern sei „dramatisch schlecht“, sagte er. Schon jetzt werde jedes vierte Bett aus den Intensivstationen von einem Covid-19-Patienten belegt, mit exponentiell steigender Tendenz.
Umweltministerin Anja Siegesmund – sie ist für die Grünen VizeRegierungschefin – versuchte sich trotz ähnlich düsterer Rhetorik („Wir sind nah am Limit“) in Restoptimismus. Die vierte Welle brechen man „nur gemeinsam“mit Impfen, Testen, Kontaktbeschränkung, sagte sie – und ja, auch „der
Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen.“
Ministerin kritisiert Kommunen, die zögerlich reagiert hätten Schließlich durfte auch die Frau reden, die seit eineinhalb Jahren im Graben der Corona-Front steht und die meiste Kritik abfangen muss. Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) versuchte noch einmal zu argumentieren, dass ja eigentlich schon an vielen Orten 2G gelte, nur dass dies eben einige Kommunen „zögerlich umgesetzt“hätten. Doch damit sei es nun vorbei. Alle lokalen Verwaltungen müssten den Erlass „schnellstmöglich“umsetzen. In die neue, ausführliche Verordnung, die ab Dienstag gilt, sollen die noch ausstehenden Beschlüsse von Bundestag und Ministerpräsidentenkonferenz eingearbeitet werden.
Ansonsten verwies Ramelow darauf, dass niemand die Augen davor verschließen könne, dass auch Geimpfte ansteckend sein könnten. Der Landtag zieht daraus Konsequenzen: Dort müssen selbst Geimpfte, wenn sie an den Sitzungen teilnehmen wollen, einen negativen Testnachweis vorlegen.