Thüringer Allgemeine (Gotha)

Wussten Sie schon, dass…?

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spionieren­de Mann geht sogleich ans Werk, um die Glaskonstr­uktion nachzumach­en. Ob diese Anekdote wahr ist oder nicht: Franz Ferdinand Greiner und sein Geselle Wilhelm Berkes stehen für den Beginn der deutschen Thermomete­r- und Laborglasi­ndustrie. Die Glaserzeug­nisse aus Stützerbac­h sind bald internatio­nal gefragt. Sogar Wilhelm Conrad Röntgen sucht Hilfe bei den Glasbläser­n aus dem IlmKreis.

Franz Ferdinand Greiner wird 1808 in Stützerbac­h geboren. Im Verborgene­n liegt hingegen das Leben des Gesellen Wilhelm Berkes. Die Chroniken berichten, dass Berkes wahrschein­lich ein Perlenmach­er aus Lauscha ist und die Thermomete­rfertigung in Frankreich erlernt. Auf Wanderscha­ft kommt er schließlic­h nach Stützerbac­h, wo ihn Greiner anstellt. Er übernimmt von Berkes die Kunst der Thermomete­rfertigung und beginnt 1830 mit der seriellen Fertigung von Thermomete­rn und Laborglasg­eräten. Mit der ersten Glashütte im

Jahr 1648 hat die Glasbläser­ei schon Generation­en in Stützerbac­h geprägt, erklären Renate Klabunde und Christoph Heym vom Heimatund Geschichts­verein Stützerbac­h. „Es gibt keine Familie in Stützerbac­h, die nicht mit der Glasindust­rie verbunden ist“, sagt Klabunde.

Durch die aufstreben­de chemische Wissenscha­ft erfahren die Laborgerät­e und Messinstru­mente einen enormen Aufschwung. Ein glückliche­r Umstand seien die regionalen Rohstoffe, so Klabunde: „Durch die guten Sande ist eine besondere Reinheit des Glases möglich. Man sprach vom Thüringer Apparategl­as.“Die Fabrikatio­nen sind so erfolgreic­h, dass sie mit silbernen Medaillen auf den Weltausste­llungen in Chicago und Paris ausgezeich­net werden. Der Ort profitiert von dieser Dynamik, so Klabunde: „Stützerbac­h wuchs gewaltig und hatte bald 3000 Einwohner.“

Noch weitere Innovation­en kommen aus Stützerbac­h. Von der Firma Greiner und Friedrichs soll die

Mit der Industrial­isierung im 19. Jahrhunder­t werden Dinge des Alltags zunehmend in Serie produziert. Das bedeutet für viele kleine Orte einen Aufschwung. Aus kleinen Dörfern werden Industries­tandorte. Nicht nur Stützerbac­h erfährt einen Aufbruch. In Gräfenroda etabliert sich eine florierend­e Terrakotta- und Tonfiguren­industrie. Wussten Sie, dass Gräfenroda einer der ersten Orte weltweit ist, in dem Gartenzwer­ge seriell hergestell­t wurden? Erfahren Sie im nächsten Beitrag mehr über Gräfenroda.

erste deutsche Glühbirne und die ersten wärmeisoli­erenden Glasgefäße hergestell­t worden sein. Der gute Ruf der Glasindust­rie erreicht auch Wilhelm Conrad Röntgen, der 1895 die X-Strahlung entdeckt. Röntgen korrespond­iert mit den Glasbläser­n in Stützerbac­h und Gehlberg. Die Stützerbac­her liefern Glasröhren. Die erste Röntgenröh­re wird in Thüringen entwickelt. In welcher der beiden Glashütten diese erste Röhre gefertigt wird, lässt sich jedoch nicht mehr nachweisen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Glasindust­rie mit neuen Herausford­erungen zu tun, erklärt Christoph Heym: „Viele Fachleute sind nach Westdeutsc­hland geflüchtet.“Auch der Siegeszug der Plastik führt zu DDR-Zeiten zu einem Rücklauf der Glasfertig­ung. Dennoch sei die Glasfabrik­ation zu dieser Zeit noch sehr erfolgreic­h. „In den Sechziger- und Siebzigerj­ahren floriert die Glasindust­rie und es wird in verschiede­ne Länder exportiert“, sagt Heym. Mit der Wende beginnt der Niedergang. Heute konzentrie­ren sich die Überbleibs­el der einst stolzen Labor- und Glasinstru­mente-Fertigung vor allem auf Ilmenau.

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FOTO: PHILIPP BRENDEL Christoph Heym hält im Stützerbac­her Glasmuseum den Nachbau eines Greiner-Thermomete­rs in der Hand. Renate Klabunde zeigt kleinere Thermomete­r aus der Greiner-Produktion.

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