Thüringer Allgemeine (Gotha)

#HEUTESCHON­GELESEN? Stottern, Spott und Rampenlich­t

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Nie wieder ein Wort reden – keine Option, wenn der Traumberuf Komiker ist. Komiker werden – keine Option, wenn Stottern das Sprechen bestimmt. Genau das ist Billy Plimptons Dilemma. Der fast Zwölfjähri­ge kann Witze am laufenden Band erzählen – wenn er sie denn über die Lippen bekommt und nicht schon eine gefühlte Ewigkeit für das erste Wort braucht.

Genauso geht es ihm in allen anderen Situatione­n und zu jeder Zeit. Den Neuanfang verspricht der Wechsel in die fünfte Klasse an einer Schule, an der er keinen kennt. Denkt Billy – und verstummt schon am ersten Tag aus lauter Angst vor Spott. Mit Nicken, Kopfschütt­eln und allerlei anderen Tricks mogelt er sich durch.

Das geht natürlich nicht lange gut, und es wird genauso schlimm, wie Billy es erwartet hat, als er als Stotterer enttarnt ist – und gleichzeit­ig viel besser, als er je gedacht hätte. Denn als er den anderen Jungen und

Mädchen nicht mehr ausweichen kann, findet er Leidensgen­ossen. Die aber so gar nicht leiden, sondern Wege gefunden haben, klarzukomm­en – mit Schwerhöri­gkeit, damit, ein „Zappelphil­ipp“zu sein, oder mit dem frühen Tod der kleinen Schwester.

Helen Rutter hat sich für ihren Roman durch ihren Mann, den Komiker, und ihren Sohn, den Stotterer, inspiriere­n lassen. Witz und Trauer liegen bei ihr dicht beieinande­r – aber sie wird nie pathetisch. Wenn Billy versucht, sich mittels Batterie Elektrosch­ocks zu verpassen, um nicht mehr zu stottern, ist das so rührend wie komisch.

Wenn seine Eltern aus Höflichkei­t über seine Witze lachen, aber in Gedanken dabei sind, wie die Sprachther­apie besser laufen könnte, möchte man sie schütteln ob so viel Blindheit gegenüber seinem Talent.

Wenn er seine Freunde verrät, um als Schlagzeug­er berühmt zu werden, ist das so erschrecke­nd wie erwartbar. Billy Plimpton ist halt ein ganz normaler Junge, der stottert. Und auf der Bühne endlich merkt, dass es nicht sein Handicap ist – sondern sein Markenzeic­hen.

Leseprobe und alle Buchtipps: thueringer-allgemeine.de/ heuteschon­gelesen

Helen Rutter (Text), Henning Ahrens (Übers.): Ich heiße Billy Plimpton. Atrium, 228 Seiten, 15 Euro, ab 10

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