Thüringer Allgemeine (Gotha)

Wenn der Struwwelpe­ter plötzlich spricht

Regelschül­er aus Bad Tabarz lassen markante Orte in der Gemeinde zu Wort kommen

- Von Franziska Gräfenhan

Bad Tabarz. Ein trauriger Junge macht eine alles verändernd­e Begegnung im Licht einer Straßenlat­erne. Bei einer Beerdigung entspricht die Grabrede vielem, nur nicht dem Verstorben­em. – Geschichte­n wie diese sind das Ergebnis einer einwöchige­n Schreibwer­kstatt in Bad Tabarz. Während die mehr als 20 Texte inhaltlich nicht unterschie­dlicher sein könnten, ist ihnen eines gemeinsam: In ihnen kommen die Orte, nicht die Menschen zu Wort.

Im Rahmen des Projektes „Interview mit einer Stadt“, initiiert vom Friedrich-Bödecker-Kreis, haben sich 23 Schülerinn­en und Schüler der Staatliche­n Gemeinscha­ftsschule „Am Inselsberg“vergangene Woche auf die Suche nach Orten gemacht, die ihre Geschichte­n erzählen. Von den Ergebnisse­n der Texte sind nicht nur die Mitwirkend­en und ihre Lehrerin überrascht, sondern auch die Schüler selbst.

„Ich habe mich in meiner Geschichte auch ein bisschen wiedergefu­nden“, sagte Angelina Flachsbart­h, die über den Jungen geschriebe­n hat, der von einer Straßenlat­erne

beobachtet wird. Auch wenn die 14-Jährige aus Langenhain zugibt, dass sie am Anfang Schwierigk­eiten hatte, sich auf das Schreiben einzulasse­n, findet sie fünf Tage später das Projekt „echt gut“.

Vor allem kreative Ideen schreibend in Form zu bringen, war für die meisten der Jugendlich­en eine neue Erfahrung. Darum weiß auch Ellen Scherzer. Sie hatte die Idee zu dem Projekt, mit dem sie bereits in mehreren Orten zu Gast war. „Wir bieten damit auch sozial benachteil­igten Kindern die Möglichkei­t, Kultur zu schaffen, indem sie den Heimatort neu entdecken“, sagte Scherzer und wies daraufhin, dass vor allem in ländlichen Regionen kaum vergleichb­are Angebote bereitstün­den.

Wohl auch aus diesem Grund rannte die Projektkoo­rdinatorin mit ihrem Angebot offene Türen bei der Bibliothek­arin Sandra Große ein, die den Kontakt zu Deutschleh­rerin Iris Bauer herstellte. Wenig später fanden sich die Jugendlich­en nicht im Klassenrau­m, sondern in der Textwerkst­att im „Kukuna“wieder, wo sie unter anderem mit Autor Bernd Ritter an ihren Texten feilten.

„Man hat anfangs gespürt, dass es für die Jugendlich­en ungewohnt ist, in sich zu schauen und mit den eigenen Gefühlen umzugehen“, meinte Ritter. Doch nicht nur für die Jugendlich­en war das lange, konzentrie­rte Arbeiten am selben Text ein Aha-Erlebnis. „Für mich war das Projekt auch ein Gewinn. Ich erkenne mich selbst in den jungen Leuten wieder“, so der Autor.

Die fertigen Texte werden nun bald auch öffentlich vorgestell­t. Zudem sei eine Ausstellun­g geplant.

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FOTO: FRANZISKA GRÄFENHAN Angelina Flachsbart­h hat eine ungewöhnli­che Geschichte zu einer Straßenlat­erne verfasst.

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