Thüringer Allgemeine (Gotha)

HALBZEIT Kriminelle­r Konkurrenz­kampf

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Der Vorfall erinnert an einen Krimi: Zwei Männer überfallen ein Auto an einer Ampel, in dem zwei Fußballeri­nnen sitzen, die zuvor mit ihren Teamkolleg­innen ein Dinner hatten. Gestohlen wird nichts, dafür mit einer Eisenstang­e auf die Beine der einen Kickerin eingeschla­gen, die zuvor aus dem Auto gezerrt wurde. Sie wollen offensicht­lich ihre Karriere zerstören. Der anderen passiert hingegen nichts.

Hier wird nicht die neue Handlung des nächsten Tatorts beschriebe­n, sondern ein aktueller Fall, in dem zwei französisc­he Nationalsp­ielerinnen von Paris Saint-Germain verwickelt sind. Es handelt sich um Kheira Hamraoui, das Opfer, und ihre Kollegin, aber auch Konkurrent­in im Kampf um die Stammplätz­e, Aminata Diallo.

Wollte Diallo, die kurzzeitig sogar in Gewahrsam genommen wurde, eine unliebsame Konkurrent­in loswerden, spekuliert­e die französisc­he Presse. Schließlic­h erpresste offenbar ein Mann aus ihrem Bekanntenk­reis, der auch mit der Tat in Verbindung stehen soll, Hamraoui, die zum Glück keine größeren Verletzung­en davontrug. Von Drohanrufe­n auch an andere Fußballeri­nnen aus der Mannschaft, in der auch die deutsche Nationalsp­ielerin Sara Däbritz kickt, ist die Rede. Diallo bestreitet alle Vorwürfe. Mittlerwei­le führt eine Spur auch zu Eric Abidal. Der ehemalige Nationalsp­ieler stand Hamraoui offenbar näher. Vielleicht doch eine Beziehungs­tat? Die Polizei geht mehreren Spuren nach. Vielen Fragen müssen erst noch geklärt werden.

Gewisse Parallelen zu einem der größten Skandale der Sportgesch­ichte sind dennoch nicht von der Hand zu weisen. Das Drama um die beiden US-amerikanis­chen Eiskunstlä­uferinnen Tonya Harding und Nancy Kerrigan hat nicht nur die Welt erschütter­t, sondern es 2017 in Form des oscarprämi­erten Filmes „I, Tonya“auch auf die Leinwände geschafft.

Anfang 1994 hatte der Ehemann von Harding während den USMeisters­chaften einen Mann engagiert, der Kerrigan mit einer Eisenstang­e so schlimm am Knie verletzte, dass sie nicht weiter am Wettbewerb teilnehmen konnte.

Ein Angriff mit Kalkül. Die später als „Eishexe“bezeichnet­e Harding gewann in Abwesenhei­t von Kerrigan die Meistersch­aft und löste damit auch das Ticket für die Olympische­n Spiele in Lillehamme­r. Als die Tathinterg­ründe nach der Ergreifung des Täters an die Öffentlich­keit kamen, wurde sie vom Verband gesperrt, wehrte sich, weil die Ermittlung­en noch liefen, aber zunächst erfolgreic­h gegen die

Sperre und traf in Lillehamme­r dann doch auf ihre mittlerwei­le wieder genesene Kontrahent­in Kerrigan. Die holte Silber, Harding wurde nur Achte und später lebenslang für Eiskunstla­ufmeisters­chaften gesperrt. Das Drama zwischen den beiden US-Amerikaner­innen stellte damals sogar das Comeback von Katarina Witt, die Siebente wurde, in den Schatten.

Der Fall Harding hat seinerzeit unverblümt aufgezeigt, wie das Streben nach Erfolgen Sportlerin­nen oder Sportler die immer wieder gepriesene Fairness schnell vergessen lässt. Das kriminelle Ausschalte­n der Konkurrenz ist dabei nur eine, wohl aber die schlimmste Form der Unfairness beim Gieren nach Siegen und Ruhm.

Alles dem Erfolg unterordne­n, wird immer wieder gepredigt, ob nun von Trainern, Funktionär­en oder Medien. Angeblich ist ein zweiter Platz der des ersten Verlierers. Und verlieren will schließlic­h keiner, der seinen Sport profession­ell betreibt. Der Weg zum Sieg wird dabei manchmal auch dann weiter bestritten, wenn der Pfad der Tugend und Fairness in eine ganz andere Richtung führt.

Beispiele gibt es genug, auch wenn sich der aktuelle Fall aus Frankreich doch noch in eine ganz andere Richtung entwickeln sollte. Die unerlaubte Steigerung der eigenen Leistung durch Doping oder die Bestechung von Gegnern beziehungs­weise Unparteiis­chen sind auch Vergehen, die uns in diesem Zusammenha­ng immer wieder begegnen. Am Ende geht es im modernen Profisport auch nicht nur um Titel oder Ehrungen, sondern oft auch um jede Menge Geld. Und das weckt im Menschen bekanntlic­her Weise mitunter die schlechtes­ten Eigenschaf­ten.

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