Benedikt räumt Falschaussage ein
Emeritierter Papst gibt jetzt zu, an Sitzung zu Missbrauchsfall teilgenommen zu haben – Zuspruch für queere Katholiken
Berlin. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat eingeräumt, bei seiner Stellungnahme für das Missbrauchsgutachten des Erzbistums München und Freising eine falsche Aussage gemacht zu haben. Dies erklärte sein Privatsekretär Georg Gänswein in einer Stellungnahme. Demnach habe Benedikt 1980 als Erzbischof von München und Freising an einer Ordinariatssitzung teilgenommen, bei der über einen Priester gesprochen wurde, der zuvor wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern auffällig geworden war. Jener Priester wurde später in Bayern wieder als Seelsorger eingesetzt und ist einer der zentralen Fälle des Gutachtens, das die Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) im Auftrag des Erzbistums München und Freising präsentiert hatte. Darin wird Benedikt in vier Fällen Fehlverhalten vorgeworfen. Die
Gutachter hatten am Donnerstag vergangener Woche das Protokoll der Sitzung präsentiert, das ihrer Ansicht nach beweist, dass Ratzinger bei der Sitzung dabei war.
Das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) kritisierte Benedikts Eingeständnis als unzureichend. „Es ist einfach nicht glücklich, dass er entgegen seiner anderslautenden schriftlichen Aussage lediglich etwas eingesteht, was nicht mehr zu verleugnen ist. Mir kommt das wie eine Salamitaktik vor“, erklärte Irme Stetter-Karp, Präsidentin des ZdK, unserer Redaktion. Das sei immer noch kein Schuldeingeständnis. Benedikt habe sich mehrfach falsch verhalten und die Opfer des sexuellen Missbrauchs nicht im Blick gehabt. Er müsse nun „persönlich und moralisch Verantwortung übernehmen“. Auch Lisa Kötter, Initiatorin der Reformbewegung Maria 2.0, halt das Papst-Eingeständnis nicht für ein kostbares
Bekenntnis. „Ihm blieb nichts anderes übrig“, sagte Kötter dieser Redaktion. Nun stürze das ganze Lügengebäude zusammen. Es sei wie bei Hans Christian Andersen. „Der Kaiser ist nackt – und inzwischen haben die Leute immer mehr die Angst verloren, es laut zusagen“.
So enttäuscht Verbände und Laien über den Papst sind: Das Outing von 125 queeren kirchlichen Mitarbeitern unter dem Motto „Out
In Church – Für eine Kirche ohne Angst“sorgt für Aufbruchstimmung. „Wir brauchen eine christliche Sexualmoral, die die Lebenswirklichkeit der Menschen akzeptiert und respektiert“, sagte ZdKPräsidentin Stetter-Karp.
Überraschend kündigte der Aachener Bischof Helmut Dieser im Namen der Bischofskonferenz in einem Video auf Facebook an, beim weiteren Synodalen Weg der Kirche einen Schwerpunkt auf sexuelle Orientierung, Identität und gelungene Sexualität legen zu wollen. „Niemand darf wegen seiner sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität abgewertet, diskriminiert und kriminalisiert werden“, sagte Dieser.
Doch genau das werfen ihnen die 125 queeren Kirchenmitarbeiter und Priester vor. Sie fordern eine Reform des Arbeitsrechts, damit Mitarbeiter nicht mehr von Kündigung bedroht sind, wenn sie in einer homosexuellen Partnerschaft
Auch die Initiative „Liebe gewinnt“, die im Frühjahr 2021 deutschlandweit Segnungen in katholischen Gottesdiensten für schwule und lesbische Paare organisierte, setzt große Hoffnung auf die Aktion. „Die Kirche soll aufhören, unter die Bettdecke zu schauen, sondern ins Herz blicken“, sagte Klaus Nelißen, Mitinitiator der Initiative, unserer Redaktion. Das kirchliche Arbeitsrecht verbiete homosexuellen Mitarbeitern, zu ihrer Identität zu stehen – und das in einem Bereich mit traditionell vielen schwulen und lesbischen Kollegen etwa in der Pflege oder der Sozialarbeit. „Gerade dort, wo die Kirche sich mit dem christlichen Menschenbild brüstet, tritt sie es in dieser Frage mit Füßen“, sagte Nelißen. „Alle unsere Gebete gehen dahin, dass das kirchliche Dienstrecht geändert wird.“mit dpa leben.