Jenaer Vesperbild einst wundertätiges Marienbildnis
Stadtmuseum Jena veröffentlicht in Publikation neue Forschungsergebnisse zu seinem wertvollsten Kunstschatz
Jena. Im Kellergeschoss des Jenaer Stadtmuseums wird das wertvollste Objekt der hauseigenen Sammlung präsentiert: In Stein gehauen sitzt dort eine trauernde Maria, die auf ihrem Schoß ihren toten, soeben von Kreuz genommenen Sohn hält. Neue Erkenntnisse zu diesem mittelalterlichen Schatz hat Kunsthistorikerin Doris Weilandt in der Museumspublikation „Ein mittelalterliches Kunstwerk von europäischem Rang: Das Jenaer Vesperbild“veröffentlicht.
Mittels Gesteinsanalyse konnte das renommierte Kölner Restauratoren-Paar Esther von Plehwe-Leisen und Hans Leisen nun klären, dass die Skulptur aus sogenanntem Opuka besteht. Dieser Kalkstein stammt aus den Steinbrüchen um Prag. Damit könne die Darstellung endgültig der berühmten ParlerWerkstatt aus Prag zugeordnet werden, die einst stilprägend war, erläutert Doris Weilandt. Zwar sei die Skulptur kein Einzelstück, sondern gehöre zu einer Reihe von Vesperbildern, die um 1385 bis 1390 entstanden, doch sei sie am feinsten gearbeitet. Marias enormes Leid spricht aus den rot unterlaufenen Augen und den Tränen aus Harz. Ihr Schleier ist von Blutstropfen Jesu übersät; sie sollen die suggerierte Authentizität des Werkes bezeugen.
Die Kunsthistorikerin vermutet, dass das Jenaer Vesperbild in der
Marienkirche in Ziegenhain aufgestellt wurde, die sich damals in Bau befand. Ziegenhain galt im Mittelalter als Wallfahrtsort. Laut Quellen zog dort ein wundertätiges Marienbildnis viele Pilger an. Bei diesem Bildnis könnte es sich Weilandts Ansicht nach um das Jenaer Vesperbild handeln. „Die Frage bleibt, was zum Umzug des Marienbildes in die Stadtkirche geführt hat: das Versiegen der Pilgerströme oder die Reformation“, schreibt die Autorin.
Bei der Restaurierung der Jenaer Stadtkirche im Jahr 1872 wurde das Kunstwerk schließlich stark beschädigt, die linke Hand Marias und die rechte Hand des toten Jesus brachen ab, ebenso die Hälfte der Füße. Damals sei die Kirche regelrecht entrümpelt worden, sagt die Kuratorin des Stadtmuseums Teresa Thieme. Nach einem Intermezzo im Germanischen Museum der Universität Jena gelangt das Vesperbild mit der Gründung des Stadtmuseums 1901 als eines der ersten Sammlungsstücke in dessen Bestand.
Die Gesteinsanalyse wurde erst durch die Corona-Pandemie möglich. Schon vor einigen Jahren hatten die viel beschäftigten Leisens eine Probe genommen. Nun fanden sie endlich die Zeit für die Analyse.
Doris Weilandt/ Esther von Plehwe-Leisen/ Hans Leisen: Ein mittelalterliches Kunstwerk von europäischem Rang, Stadtmuseum Jena, 68 Seiten, 8 Euro