„Populistische Mogelpackung“
Die AfD-Fraktion will den Diätenautomatismus in diesem Jahr aussetzen. Im Landtag wird sie dafür keine Mehrheit finden
Erfurt. Torben Braga sieht Handlungsbedarf. Durch politische Entscheidungen seien Thüringer Bürgern in den zurückliegenden Monaten allerhand Lasten auferlegt worden, schreibt der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion in seinen Anträgen zur Plenardebatte in dieser Woche. Die im Zusammenhang mit dem Coronavirus getroffenen Regierungsmaßnahmen hätten für zahllose Menschen Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit und entsprechende finanzielle Einbußen zur Folge gehabt. Hinzu kämen seit Monaten anhaltende Preissteigerungen. Zugleich stehe gemäß den Regelungen des Thüringer
Abgeordnetengesetzes nunmehr die jährliche Erhöhung der Bezüge für die Mitglieder des Thüringer Landtages bevor.
Für Braga und seine Kolleginnen und Kollegen passt das nicht zusammen. Sie wollen den Automatismus in diesem Jahr aussetzen und dafür das Gesetz sowie die Verfassung ändern. Dadurch würden auch die Landesfinanzen in diesem Jahr entlastet. „Es kann von Einsparungen von knapp über einer Million Euro ausgegangen werden“, so Braga auf Anfrage dieser Zeitung.
Die Landtagspräsidentin unterrichtete zuletzt im Mai vergangenen Jahres darüber, dass sich die Grundentschädigung der Abgeordneten rückwirkend zum 1. Januar 2021 um 59,77 Euro auf 6036,72 Euro brutto im Monat erhöht wird. Die Neuberechnung orientiert sich an der allgemeinen Einkommens- und der Preisentwicklung.
Der Vorstoß in Sachen Abgeordnetendiäten ist nicht neu. Seit langem wollen auch die rot-rot-grünen Minderheitskoalitionäre grundlegend etwas daran ändern. Vor fünf Jahren bereits sollte eine Expertenkommission ihre Arbeit aufnehmen. Doch außer Ankündigungen ist wenig passiert. In dieser Woche steht das Gremium zumindest wieder auf der Landtagstagesordnung.
Auch deshalb werden die AfDAnträge im Landtag keine Chance haben. Der Gesetzentwurf sei „eine populistische Mogelpackung“,
sagt die Linke-Abgeordnete Anja Müller. Unter anderem weil der Stichtag für die Entstehung des Anpassungsanspruches auf den 1. Januar des jeweiligen Jahres falle. Der Anspruch für 2022 sei also schon entstanden. Rückwirkend eingreifen könne man nicht.
SPD-Fraktionsvize Lutz Liebscher verweist auf die Reformkommission, die sich mit allen Bereichen des Abgeordnetenrechts beschäftigen solle. Dazu gehörten auch Zulagen wie etwa das doppelte Gehalt für Fraktionsvorsitzende und die bisherige Altersversorgung.
„Wir werben seit Jahren für eine grundsätzliche Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes und für eine andere Systematik“, sagt
Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich. Ziel bleibe, dass auch Abgeordnete wie Arbeitnehmer ganz regulär in die sozialen Sicherungssysteme einzahlen und somit zur Stärkung des Solidarsystems beitragen. Die AfD betreibe „bloße Schaufensterpolitik“.
Für den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Bühl, hat sich die derzeitige Regelung „als angemessen erwiesen“.
Auch wenn das Indexmodell Schwächen habe. „Die bestehende Regelung hat den Vorteil, dass Abgeordnete keinen Einfluss auf die Höhe der Vergütung haben – und das begrüßen wir“, teilt die FDPGruppe mit.