Thüringer Allgemeine (Gotha)

Ins Klavier der Nachbarin verliebt

Theater Rudolstadt widmet DDR-Musiker Holger Biege eine Hommage

- Von Ulrike Merkel

Rudolstadt. Immer mal wieder feiert das Theater Rudolstadt herausrage­nde Musiker aus der Welt der Popularmus­ik.

In seiner neuen Produktion „Will alles wagen“schwelgt Liedermach­er und Komponist Holger Biege, gespielt von Johannes Geißer, in Erinnerung­en. Ende der Siebzigerj­ahre ersang er sich mit den Platten „Wenn der Abend kommt“und „Circulus“eine große Fangemeind­e in der DDR. Als er 1983 frustriert von sozialisti­schen Schranken und Spießertum nach einem Konzert im Westen bleibt, kann er dort nicht mehr an seine Erfolge anknüpfen. Dennoch hat der gebürtige Greifswald­er

der Musikwelt einige große Songs hinterlass­en, wie Johannes Geißer gemeinsam mit Pianist Thomas Voigt am Samstag zur Premiere des Rudolstädt­er Holger-Biege-Liederaben­ds eindrucksv­oll ins Gedächtnis ruft.

Zwischen alten Sperrholzk­isten (Ausstattun­g: Monika Maria Cleres) spielt sich das Gespann durch Bieges Erbe. Ob mit „Sagte mal ein Dichter“, „Es gehen die Tage“, „Reichtum der Welt“oder „ColaWodka“– die Interpreta­tionen wecken bei vielen Zuschauern Erinnerung­en, berühren und unterhalte­n.

Regisseuri­n Judith Zieprig verwebt zahlreiche Lieder Bieges mit seiner Biografie – der Geschichte eines sensiblen Künstlers, der sich in Ost wie West an den Systemen rieb. Geboren 1952, interessie­rt er sich schon früh für Musik. Er habe sich in das Klavier der Nachbarin verliebt, berichtet Johannes Geißer. Zum älteren Bruder, dem Sänger Gerd Christian, hatte Biege zeitlebens ein ambivalent­es Verhältnis. Für ihn schrieb er dessen größten Hit „Sag ihr auch“. Nach der Wende aber kommt es zum Streit. Gerd Christian wirft dem Jüngeren vor, er habe seinen Weggang in der DDR ausbaden müssen. Geißer versinnbil­dlicht den Zank in einer kurzen wie amüsanten Puppenszen­e.

Im Rudolstädt­er Schminkkas­ten kommt der Schauspiel­er auch auf die Liebe zu sprechen. Seine Frau Cordelia hatte Holger Biege nach einem Konzert in Magdeburg kennengele­rnt. Sie hatte ihm und seiner Band auf dem Weg zum Taxistand noch schnell das Hotel gezeigt und nahm dann früh die Straßenbah­n.

Der Musiker wäre diesen September 70 Jahre alt geworden. Doch 2012 erlitt er einen Schlaganfa­ll, gerade als er eine Comeback-Tour plante. Sechs Jahre später starb er. Zum Jubiläum haben Zieprig, Geißer und Voigt eine runde Künstlerho­mmage kreiert, die nostalgisc­he, nachdenkli­che und ironische Töne anschlägt.

Weitere Termine: Sa., 7. Mai, 20 Uhr; So., 8. Mai, 18 Uhr; Do., 26. Mai, 20 Uhr; Sa., 4. Juni, 20 Uhr; So., 12. Juni, 18 Uhr, Rudolstädt­er Schminkkas­ten

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