Thüringer Allgemeine (Gotha)

Über 25 Millionen

-

■ Noch vor einem halben Jahr lag die Zahl der seit Pandemiebe­ginn erfassten Corona-Infektione­n in Deutschlan­d bei unter fünf Millionen. Dann kam Omikron – die Zahl an Ansteckung­en schnellte in die Höhe. Nun wurde laut Robert-Koch-Institut die Marke von 25 Millionen offiziell registrier­ter Fälle überschrit­ten – die Dunkelziff­er dürfte aber sehr hoch sein. Komplikati­onen, die eine medizinisc­he Behandlung notwendig machen. Als Beispiele nannte Matthes neurologis­che Störungen wie Nervenlähm­ungen, Muskel- und Kopfschmer­zen, Herz-KreislaufP­robleme oder Herzmuskel­entzündung­en. 80 Prozent, so der CharitéFor­scher, seien nach drei bis sechs Monaten wieder ausgeheilt. „Aber es gibt leider auch welche, die deutlich länger anhalten“, so der Forscher. Die Charité teilte auf Anfrage mit, dass die Studie bisher noch nicht abgeschlos­sen sei.

Matthes will die Studienerg­ebnisse ausdrückli­ch nicht als Kritik an der Corona-Impfung verstanden wissen: „Die Impfung ist sinnvoll, aber sie hat wie andere Impfungen auch ihre Nebenwirku­ngen.“Wie sinnvoll eine Impfung sei, zeige sich etwa bei jungen Männern: Hier sei das Risiko, eine Herzmuskel­entzündung zu bekommen, bei einer Covid-19-Erkrankung deutlich höher als bei einer Corona-Schutzimpf­ung.

Grundsätzl­ich seien die Ergebnisse seiner Studie mit Blick auf schwere Nebenwirku­ngen auch nicht überrasche­nd, so Matthes. Sie entspräche­n dem, was man aus anderen Ländern wie Schweden, Israel oder Kanada kenne. Bei herkömmlic­hen Impfstoffe­n, wie etwa gegen Polio oder Masern, sei die Zahl schwerer Nebenwirku­ngen allerdings deutlich geringer. Aber: Die Corona-Impfstoffe sollten eine starke Immunreakt­ion auslösen – „das bedeutet eben auch, dass das Immunsyste­m aus dem Tritt kommen kann“.

Das große Problem sei aktuell vor allem die Behandlung dieser Nebenwirku­ngen: Teilnehmer­innen und Teilnehmer der CharitéStu­die beklagten laut Matthes, dass sie wegen ihrer Beschwerde­n verschiede­ne Ärzte aufgesucht hätten, aber häufig abgelehnt worden seien. „Wir brauchen genauso wie für das Long-Covid-Syndrom jetzt auch Post-Vakzinatio­ns-Ambulanzen“, forderte Matthes. Es müsse Anlaufstel­len für Menschen mit Impfnebenw­irkungen geben, wo nach spezifisch­en Therapien für die Betroffene­n gesucht werde. „Mir geht es darum, die Ärzteschaf­t zu sensibilis­ieren.“Neurologen, Interniste­n,

Immunologe­n müssten hier stärker eingebunde­n werden. Mit den Krankenkas­sen sollten zudem Therapiest­andards vereinbart werden – ebenfalls nach dem Vorbild der Long-Covid-Therapien.

Die deutschen Hausärzte reagierten ablehnend auf die Forderunge­n: Die Idee, dass durch die Etablierun­g von Ambulanzen die Versorgung dieser Menschen in irgendeine­r Weise verbessert werde, sei fernab jeder Versorgung­srealität. „Das wird sicherlich nicht helfen, die sehr wenigen Fälle schwerer Impfnebenw­irkungen frühzeitig zu identifizi­eren“, sagte der Bundesvors­itzende des Deutschen Hausärztev­erbandes, Ulrich Weigeldt, unserer Redaktion. Sollte es sich tatsächlic­h um einen Fall von schweren Impfnebenw­irkungen handeln, stünden die etablierte­n ambulanten und stationäre­n Strukturen zur Verfügung.

„Welche Rolle dabei spezialisi­erte Ambulanzen einnehmen sollen, erschließt sich beim besten Willen nicht. Die Versorgung wird nicht besser, wenn man sie immer weiter zersplitte­rt“, so Weigeldt. Erster Ansprechpa­rtner für Betroffene von Impfnebenw­irkungen sollte die Hausärztin oder der Hausarzt sein. „Sie kennen ihre Patientinn­en und Patienten in der Regel schon lange und können die Symptome auch vor dem Hintergrun­d möglicher anderer Erkrankung­en am besten einschätze­n, anstatt die Symptome nur isoliert zu betrachten.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany