Thüringer Allgemeine (Gotha)

Lücken in der Geburtshil­fe

Thüringer Berufsverb­and schlägt Pilotproje­kt für Hebammenze­ntren in ländlichen Gebieten vor. Bedarfsstu­die soll erstellt werden

- Von Elena Rauch

Erfurt. Die Wehen setzen ein und bis zum Kreißsaal sind es 40 Autominute­n: Seit vor zwei Jahren die Geburtenst­ation geschlosse­n wurde, müssen sich schwangere Frauen in Schleiz darauf einstellen. Von 31 Kreißsälen 1991 gibt es in Thüringen inzwischen noch 21. Und das sei, fürchtet die Vorsitzend­e des Landesheba­mmenverban­des Annika Wanierke, noch nicht das Ende.

Das ausgedünnt­e Netz der Geburtshil­fe ist einer der Baustellen in der Versorgung schwangere­r Frauen und junger Mütter, auf die der Verband gebetsmühl­enartig verweist. Über die finanziell­e Unterstütz­ung von Geburtshäu­sern und der außerklini­schen Hebammenau­sbildung sei man sehr froh, so die Verbandsch­efin. Doch angesichts der Lücken in der Geburtshil­fe in ländlichen Gebieten müssen neue Strukturen her. Das könnten Hebammenze­ntren sein. Über die genaue Beschaffen­heit müsste man diskutiere­n, so Annika Wanierke, entscheide­nd sei eine Hebamme in Bereitscha­ft, die mit dem Rettungsdi­enst und mit medizinisc­hen Strukturen vernetzt ist, und die auch eine Geburt begleiten könnte. Notfalls auch im Krankenwag­en. Oder an die sich am Wochenende im Zweifelsfa­ll schwangere Frauen auf kurzem Weg wenden können, weil nicht immer klar sei, ob die Geburt tatsächlic­h schon begonnen hat, oder ob es ein Fehlalarm ist. „Dann fahren Frauen kilometerw­eit in den nächsten Kreißsaal, um wieder nach Hause geschickt zu werden“, weiß Annika Wanierke.

Der Vorschlag der Hebammenze­ntren beruht auf Praxiserfa­hrung.

Alle Erhebungen würden bestätigen, dass die Zahl der ungeplante­n Hausgeburt­en oder sogar der Entbindung­en im Auto zunehmen, wenn in ländlichen Gebieten Geburtenst­ationen schließen. „Das ist gefährlich für Mutter und Kind“, so die Landesvors­itzende. Andere Bundesländ­er würden bereits an solchen Strukturen arbeiten, das bräuchte auch Thüringen mit seinen ländlichen Regionen.

Ein Pilotproje­kt könnte Erfahrunge­n generieren. Dazu gehöre auch die Frage, wer dann die teure Versicheru­ng für die Geburtshil­fe übernimmt und wer den Bereitscha­ftsdienst finanziert, den die Hebammen absichern. Annika Wanierke sieht die Landkreise in der Pflicht. Doch davor müsse ein landesweit­e Studie die Bedarfe klären.

Die soll nun offensicht­lich kommen. Ein Teil der im Haushalt 2022 vorgesehen 648.800 Euro für die Unterstütz­ung von HebammenLe­istungen soll für eine Hebammenst­udie

verwendet werden, die unter anderem Versorgung­slücken erfasst, erklärt die sozialpoli­tische Sprecherin der Linken im Landtag, Karola Stange. Ein Pilotproje­kt für ein Hebammenve­rsorgungsz­entrum hatte Sozialmini­sterin Heike Werner (Linke) allerdings erst kürzlich als nicht erforderli­ch beurteilt.

Karola Stange zeigt sich trotzdem optimistis­ch. Wenn man eine Bedarfsstu­die erstellt, müsse man auch für die Expertise der Fachfrauen offen sein. Auch deshalb müsse der 2016 installier­te Runde Tisch „Geburt und Familie“wieder aus dem Tiefschlaf geweckt werden. Die letzte Sitzung ist inzwischen vier Jahre her. Der Hebammenve­rband erwartet das schon lange.

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