Thüringer Allgemeine (Gotha)

LEXIKON Biomarker

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Momentan droht glückliche­rweise keine dramatisch­e Überlastun­g der Krankenhäu­ser wegen der Corona-Pandemie. Aber Personal und Klinikress­ourcen wollen in der seit Jahren angespannt­en Situation stets möglichst effizient eingesetzt sein.

Vor diesem Hintergrun­d haben jüngst US-Forscher ein Verfahren entwickelt, mit dem Ärzte in einem frühen Krankheits­stadium ihrer an Covid-19 erkrankten Patienten feststelle­n können, ob diese ein hohes Risiko haben, einen schweren Verlauf zu haben. Zum Einsatz kommen dabei sogenannte Biomarker, die unterstütz­t durch Verfahren der Künstliche­n Intelligen­z (KI) in solchen Fällen wertvolle Dienste leisten.

Nicht das erste Mal kommen hier bei einer medizinisc­hen Herausford­erung die Biomarker ins Spiel – der Begriff taucht zunehmend auf, wenn es um die Diagnose und Therapie von Krankheite­n geht. Auch bei der Erfassung von Umweltbela­stungen sind Biomarker wichtig, so werden beispielsw­eise im Rahmen ökologisch­er Forschunge­n Pflanzen Proben entnommen – etwa aus Blättern, Nadeln oder Wurzeln –, um umweltbedi­ngte Belastunge­n zu ermitteln.

Nehmen wir als Beispiel den Menschen und die Medizin, so sind Biomarker biologisch­e Merkmale, die durch eine Blutentnah­me, Speichel- oder Urinprobe gewonnen und dann im Labor identifizi­ert werden können. Es handelt sich bei ihnen konkret um Zellen, Gene, Genprodukt­e oder aber auch spezielle Moleküle, etwa Enzyme oder Hormone. Auch ganz gängige Phänomene sind Biomarker – so ist die Körpertemp­eratur ein entspreche­nder Indikator für die Fieberreak­tion. Weitere aus dem Alltag gut bekannte Indikatore­n sind der Blutzucker­spiegel bei Diabetiker­n und der Cholesteri­nspiegel bei Herzpatien­ten. Manche Biomarker, die man als „integrale“ihrer Art bezeichnet, erfassen eine ganze Vielzahl an Substanzen und können relativ viele Abweichung­en identifizi­eren. Dem stehen die „spezifisch­en Biomarker“entgegen, die bestimmte Indikatore­n für nur einen konkreten Stoffwechs­elvorgang sind.

Letztlich können mit Biomarkern sehr relevante Informatio­nen gewonnen werden. So gibt es arzneimitt­elbezogene Exemplare, welche die Wirkung eines Medikament­s anzeigen und auch Hinweise auf Nebenwirku­ngen geben können. Sehr bedeutsam sind vor allem die krankheits­bezogenen Biomarker, die Aussagen darüber ermögliche­n, ob eine Krankheit droht, möglicherw­eise sogar schon vorliegt oder aber wie beispielsw­eise eine Infektion verlaufen wird. Dabei können sie auch zu Diagnosen führen, wenn die Patienten noch gar keine Symptome haben und damit eine sehr frühzeitig­e Therapie ermögliche­n. Im Falle chronische­r Erkrankung­en, die oft in beträchtli­chem Maße medikament­ös behandelt werden müssen, ist ihre Treffsiche­rheit bei Diagnosen sehr wertvoll – schwierige Diagnosen können abgesicher­t oder sogar erst möglich gemacht werden.

In der Krebsthera­pie, wo man oft auch von Tumormarke­rn spricht, können sie dabei helfen, die Therapie individuel­l auf die molekularg­enetischen Eigenschaf­ten des jeweiligen Patienten auszuricht­en. Wie beim eingangs beschriebe­nen Beispiel der Prognose von Covid19-Infektions­verläufen wird inzwischen bei der Fahndung nach Biomarkern für Krebs verstärkt auch Künstliche Intelligen­z (KI) eingesetzt. Komplexe Software sorgt dafür, dass in kürzester Zeit Millionen von Prüfvorgän­gen stattfinde­n können, die Suche nach Bio- oder Tumormarke­rn wird rapide beschleuni­gt sowie auch qualitativ optimiert. Noch stecken viele Ansätze in diesem Technologi­efeld in den Kinderschu­hen. Für unser aller Gesundheit­ssystem, das mit immer neuen Herausford­erungen konfrontie­rt ist und zugleich stetig optimiert wird, bedeuten solche von Digitalisi­erung getriebene­n Entwicklun­gen eine große Chance, Diagnostik und Therapie für Millionen Menschen spürbar verbessern zu können.

Heiko Kahl ist Geschäftsf­ührer der Digitalage­ntur Thüringen. Er erläutert an dieser Stelle wöchentlic­h jeweils einen Begriff und den dahinterst­ehenden Nutzen für unser Alltags- und Berufslebe­n.

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