Kommen jetzt die Zinsen zurück?
Die US-Notenbank hebt den Leitzins an. Was Sparer, Anleger und Immobilienkäufer jetzt wissen müssen
Berlin. Die Niedrigzinspolitik geht zu Ende. Mit einem Anstieg der Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte hat die US-Notenbank Fed ein Zeichen des Abschieds von der ultralockeren Geldpolitik gesetzt. Die britische Notenbank folgte und hob ihre Leitzinsen um 0,25 Punkte auf 1,0 Prozent an. Was bedeutet dies für die Europäische Zentralbank (EZB), Unternehmen und Verbraucher? Unsere Redaktion beantwortet wichtige Fragen:
Warum hat die Fed die Zinsen erhöht?
Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) möchte mit dem Anstieg der Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte auf eine Spanne von 0,75 bis 1,0 Prozent die Inflation eindämmen. Die Verbraucherpreise stiegen in den USA im März um 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zum Vergleich: In den 19 Euroländern lag die Teuerungsrate im März bei 7,3 Prozent, in Deutschland bei 7,6 Prozent. Die Fed hält weitere Erhöhungen in Zukunft für „angemessen“.
Wie entsteht Inflation?
Die Preise steigen, wenn die Nachfrage nach Waren größer ist als das Angebot. Die Folge: Das Geld verliert an Wert. Die Inflation hat in den vergangenen zwei Jahren insbesondere durch die Störung der Lieferketten und Lieferengpässe infolge der Corona-Pandemie zugelegt. Verschärft wurde der Preisanstieg durch den Ukraine-Krieg, der eine Neuordnung am Energiemarkt auslöste und zu einem drastischen Preisanstieg bei Rohstoffen
wie Öl und Gas, aber auch von Lebensmitteln führte.
Wie können Leitzinsen die Inflation eindämmen?
Die Notenbanken versuchen durch höhere Zinsen die Nachfrage zu dämpfen und damit die Inflationsrate zu senken. Wenn Kredite teurer werden, investieren Unternehmen weniger, Verbraucher nehmen weniger Kredite für ihren Konsum auf. Wird weniger eingekauft, senken Unternehmen ihre Preise, um die Produkte an den Mann und die Frau zu bringen, die Inflationsrate sinkt – so die Theorie. Gleichzeitig bremsen höhere Zinsen aber auch die Konjunktur.
Wird die EZB ebenfalls eine Zinswende einläuten?
Noch gibt es keine Entscheidung. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel forderte diese Woche im „Handelsblatt“eine Zinserhöhung im Juli. Ihr Kollege Fabio Panetta mahnt dagegen zur Besonnenheit, da die europäische Wirtschaft de facto stagniere: „Die Geldpolitik hat nur begrenzten Spielraum, um diese importierte Inflation zu beeinflussen. Die Triebkräfte der Inflation sind global, nicht europäisch.“Panetta erwartet eine Entscheidung in den nächsten Wochen. Die EZB-Chefin Christine Lagarde will die Zinsen erst erhöhen, wenn das Anleihe-Kaufprogramm beendet wird.
„Angesichts des weiterhin hohen Inflationsdrucks ist eine baldige Zinserhöhung durch die EZB, wie sie sich inzwischen abzeichnet, angezeigt“, sagte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer unserer Redaktion. Dies sei wichtig, um zu verhindern, dass sich die Inflationserwartungen auf hohem Niveau verfestigen. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privatkunden bei der Deutschen Bank, hält eine Anhebung der Leitzinsen im Juli durchaus für möglich.
Was bezweckt die EZB mit ihrer Nullzinspolitik?
In Europa liegen die Leitzinsen der EZB für die Euroländer seit März 2016 bei null Prozent. Die Absenkung der Zinsen war eine Reaktion auf die Finanzmarktkrise von 2008 und die europäische Schuldenkrise. Ziel war es, die Wirtschaft in den Euroländern anzukurbeln und Kreditaufnahmen zu vergünstigen. Banken müssen jedoch derzeit 0,5 Prozent Strafzinsen bezahlen, wenn sie ihr Geld bei der EZB parken. Aktuell federt die Nullzinspolitik auch die hohen Staatsausgaben während der Corona-Krise ab und stützt die Wirtschaft.
Wer profitiert, wer verliert bei einer Zinswende in Europa?
Verlierer höherer Zinsen sind alle, die neue Schulden machen müssen. Dazu zählen auch Bund, Länder und Gemeinden in Deutschland, da sie mehr Geld für neue Kredite bezahlen müssen. Es betrifft aber auch hoch verschuldete Länder wie Griechenland oder Italien. „Der Druck gerade auf finanzschwache Länder wird steigen. Damit werden die Diskussionen über eine Aufteilung der Schulden in der Eurozone wieder beginnen“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank. Aber auch Verbraucher dürften mit steigenden Zinsen wieder mehr für neue Dispo- und Konsumentenkredite bezahlen müssen. Gewinner sind jene, die Spareinlagen auf ihrem Giro-, Tagesgeld- oder Sparkonto haben. Sie könnten bei höheren Leitzinsen zumindest von den Negativzinsen befreit werden oder sich sogar wieder Hoffnungen auf positive Zinsen machen.
Was bedeutet eine mögliche Zinsanhebung für Immobilienkäufer?
Der Leitzins beeinflusst die Bauzinsen nur indirekt, trotzdem dürfte der Immobilienerwerb teurer werden. Die Bauzinsen steigen bereits seit Monaten. Laut einer Analyse des Portals Immowelt werden für das zehnjährige Baudarlehen
aktuell 3,05 Prozent fällig – im Januar waren es nur 1,38 Prozent. Wer sich eine 80-QuadratmeterWohnung kaufe, müsse in der Spitze 1010 Euro mehr an monatlichen Kosten zahlen als zu Jahresbeginn. „Menschen, die sich eine Immobilie kaufen wollen, sind die Verlierer“, sagte der Ökonom Sebastian Dullien, Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).
Wie wirkt sich eine Zinserhöhung auf die Wirtschaft aus?
Höhere Zinsen belasten Unternehmen, da Kredite und Investitionen teurer werden – und damit der Aufschwung gebremst wird. Verbraucher geben weniger Geld aus, der Konsum sinkt. Umsätze und Gewinne der Betriebe könnten sinken, Arbeitsplätze drohen wegzufallen. Gleichzeitig werden die Währungen mit höheren Zinsen attraktiver. Dies kann die Exporte verteuern und belasten. Immerhin: Die Realzinsen, also die Höhe des Zinses im Vergleich zur Inflation, sind weiter negativ. „Eine Zinserhöhung sollte deshalb für die Wirtschaft verkraftbar sein“, glaubt die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer.