Thüringer Allgemeine (Gotha)

Von der Scheune auf die Bühne

Studierend­e aus Berlin und Wien gestalten ein Gastspiel beim Art der Stadt

- Von Victoria Augener

Gotha. Gotha mag kein Landesthea­ter mehr haben, dafür hat Wahlwinkel ein Staatsthea­ter. Vielleicht keines im Wortsinn, mit Vorhang und Orchesterg­raben, doch in der Scheune in dem 470-Seelen-Dorf kamen eines Sommers Darsteller­innen und Darsteller aus ganz Deutschlan­d zusammen um Theater zu machen. Die Scheune gehört Naemi Friedmann, die am Samstag das Staatsthea­ter Wahlwinkel wieder aufleben lässt. Diesmal aus Platzgründ­en nicht in ihrer Scheune, sondern im Fundament, der Bühne des Art der Stadt im Kulturhaus Gotha.

Es war es eine Spinnerei, erinnert sich die Regiestude­ntin. In der Klasse an der Berliner Hochschule für Schauspiel „Ernst Busch“fantasiert­e man über einen Erprobungs­ort, an dem viele Kreative zusammenko­mmen könnten, mit Werkstatt, einem Hof und einer kleinen Bühne. „Das ist alles, was ich in Wahlwinkel habe“, sagt Friedmann.

Mit selbstgema­lten Plakaten Dorfbewohn­er auf den Hof geladen Sie lud die Studierend­en zu sich ein und innerhalb von drei Tagen war das Staatsthea­ter Wahlwinkel auf die Beine gestellt. Darsteller vom Art der Stadt und vom Eisenacher Theater am Markt kamen dazu, jeder sollte einen Programmpu­nkt gestalten. Mit selbstgema­lten Plakaten luden sie die Dorfbewohn­er auf den Hof. „Vorher gab es Bratwurst, danach ein Lagerfeuer“, erinnert sich die Initiatori­n. Und auch wenn anfangs Unsicherhe­it herrschte, ob man sich zu diesem Theater in Schale werfen muss, wie sonst üblich, konnte die Veranstalt­ung einige Wahlwinkle­r begeistern.

„Danach war, wir wollen das weiter verfolgen“, sagt Naemi Friedmann. Zu diesem Zweck kommen am Wochenende Studierend­e der Berliner Schauspiel­hochschule sowie Kolleginne­n und Kollegen vom Max-Reinhardt-Seminar in Wien nach Gotha für das Gastspiel „Junge Regie“. Gezeigt wird „Die Soubretten“, ein Stück von Jean Genet, das Friedmann ursprüngli­ch mit drei Puppenspie­lstudieren­den bearbeitet hatte. Darin treten Claire und Solange auf, Dienstmädc­hen einer despotisch­en Herrin. Sie schrubben, wischen, bohnern, polieren und umsorgen Mobiliar und Ego ihrer Herrin gleicherma­ßen und finden sich gefangen in der Abhängigke­it zur allzu gnädigen Frau. Oder ist diese vielmehr gebunden an ihre Dienerinne­n?

Die Wiener Studierend­en zeigen Georg Büchners „Woyzeck“, einen von Armut und Wahnvorste­llungen geplagten Soldaten. Er und seine Freundin Marie haben ein Kind und wenig zu lachen. Woyzeck muss sich von seinen Vorgesetzt­en demütigen lassen, während Marie versucht, sich aus der bedrückend­en Beziehung und unterdrück­enden Gesellscha­ft zu befreien. Die Situation eskaliert und Woyzeck verfällt in Gewalt. Das Ensemble verspricht eine makabre wie magische Interpreta­tion

des Stoffs von 1836, der zeitlos politisch bleibt.

Nach dem Gastspiel in Gotha geht es mit den Stücken weiter nach Österreich und zurück nach Berlin. Naemi Friedmann genießt es, nach all den Einschränk­ungen auf Tour zu sein und hofft damit Zuschauer zu erreichen, die weniger dem kulturverw­öhnten Stammpubli­kum der Schauspiel­hochschule­n entspreche­n. „In jedem Fall profitiert unsere Arbeit sehr durch den Austausch der Gastspiele“, sagt sie.

„Junge Regie“ist am Samstag, 7. Mai, 20 Uhr, im Fundament im Kulturhaus Gotha, Ekhofplatz 3, zu sehen.

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FOTO: FELIZIA KAMPA Studierend­e von Schauspiel­schulen in Berlin und Wien zeigen in Gotha Jean Genets „Die Soubretten“und Georg Büchners „Woyzeck“.

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