Von der Scheune auf die Bühne
Studierende aus Berlin und Wien gestalten ein Gastspiel beim Art der Stadt
Gotha. Gotha mag kein Landestheater mehr haben, dafür hat Wahlwinkel ein Staatstheater. Vielleicht keines im Wortsinn, mit Vorhang und Orchestergraben, doch in der Scheune in dem 470-Seelen-Dorf kamen eines Sommers Darstellerinnen und Darsteller aus ganz Deutschland zusammen um Theater zu machen. Die Scheune gehört Naemi Friedmann, die am Samstag das Staatstheater Wahlwinkel wieder aufleben lässt. Diesmal aus Platzgründen nicht in ihrer Scheune, sondern im Fundament, der Bühne des Art der Stadt im Kulturhaus Gotha.
Es war es eine Spinnerei, erinnert sich die Regiestudentin. In der Klasse an der Berliner Hochschule für Schauspiel „Ernst Busch“fantasierte man über einen Erprobungsort, an dem viele Kreative zusammenkommen könnten, mit Werkstatt, einem Hof und einer kleinen Bühne. „Das ist alles, was ich in Wahlwinkel habe“, sagt Friedmann.
Mit selbstgemalten Plakaten Dorfbewohner auf den Hof geladen Sie lud die Studierenden zu sich ein und innerhalb von drei Tagen war das Staatstheater Wahlwinkel auf die Beine gestellt. Darsteller vom Art der Stadt und vom Eisenacher Theater am Markt kamen dazu, jeder sollte einen Programmpunkt gestalten. Mit selbstgemalten Plakaten luden sie die Dorfbewohner auf den Hof. „Vorher gab es Bratwurst, danach ein Lagerfeuer“, erinnert sich die Initiatorin. Und auch wenn anfangs Unsicherheit herrschte, ob man sich zu diesem Theater in Schale werfen muss, wie sonst üblich, konnte die Veranstaltung einige Wahlwinkler begeistern.
„Danach war, wir wollen das weiter verfolgen“, sagt Naemi Friedmann. Zu diesem Zweck kommen am Wochenende Studierende der Berliner Schauspielhochschule sowie Kolleginnen und Kollegen vom Max-Reinhardt-Seminar in Wien nach Gotha für das Gastspiel „Junge Regie“. Gezeigt wird „Die Soubretten“, ein Stück von Jean Genet, das Friedmann ursprünglich mit drei Puppenspielstudierenden bearbeitet hatte. Darin treten Claire und Solange auf, Dienstmädchen einer despotischen Herrin. Sie schrubben, wischen, bohnern, polieren und umsorgen Mobiliar und Ego ihrer Herrin gleichermaßen und finden sich gefangen in der Abhängigkeit zur allzu gnädigen Frau. Oder ist diese vielmehr gebunden an ihre Dienerinnen?
Die Wiener Studierenden zeigen Georg Büchners „Woyzeck“, einen von Armut und Wahnvorstellungen geplagten Soldaten. Er und seine Freundin Marie haben ein Kind und wenig zu lachen. Woyzeck muss sich von seinen Vorgesetzten demütigen lassen, während Marie versucht, sich aus der bedrückenden Beziehung und unterdrückenden Gesellschaft zu befreien. Die Situation eskaliert und Woyzeck verfällt in Gewalt. Das Ensemble verspricht eine makabre wie magische Interpretation
des Stoffs von 1836, der zeitlos politisch bleibt.
Nach dem Gastspiel in Gotha geht es mit den Stücken weiter nach Österreich und zurück nach Berlin. Naemi Friedmann genießt es, nach all den Einschränkungen auf Tour zu sein und hofft damit Zuschauer zu erreichen, die weniger dem kulturverwöhnten Stammpublikum der Schauspielhochschulen entsprechen. „In jedem Fall profitiert unsere Arbeit sehr durch den Austausch der Gastspiele“, sagt sie.
„Junge Regie“ist am Samstag, 7. Mai, 20 Uhr, im Fundament im Kulturhaus Gotha, Ekhofplatz 3, zu sehen.