Gothaer Wildkatze wird Eichsfelderin
Das am Krahnberg gefundene Tier ist im Bärenpark Worbis aufgepäppelt worden und gelangt nun in Freiheit
Gotha. „Heute will sie gar nichts mehr mit mir zu tun haben und findet mich einfach nur noch doof“, sagt Heike Lindemann und freut sich auch noch darüber. Als das Wildkatzenbaby in ihre Obhut im Bärenpark in Worbis kam, hatte es die Augen noch nicht geöffnet, genauso wie sein Bruder. Gemeinsam kümmerte sich Heike Lindemann mit Ulrike Richter um die Tierkinder vom Krahnberg.
Die kleine Katze hat in ihrem jungen Leben zweimal großes Glück gehabt. Das erste Mal, als ihre Mutter nahe der Freundwarte überfahren wurde, so widersprüchlich das auch klingt. Denn deren Kadaver fand Ronald Bellstedt. Der Kreisvorsitzende des Nabu erkannte sofort, dass es sich um eine Wildkatze handelte, die gerade erst Junge geworfen hatte. Was wird jetzt aus dem Nachwuchs, war die bange Frage. Bellstedt organisierte umgehend eine Suchaktion, an der sich Nabu-Mitglieder beteiligten.
Allein und hilflos in einem Bunker gefunden
Ob diese erfolgversprechend war, stand in den Sternen. Für die Tierbabys tickte die Uhr. Ohne Futter hatten sie nur wenig Chancen zu überleben. Die fünfstündige Aktion blieb erfolglos. Als letzte Möglichkeit begutachtete Thomas Faulstich einen ehemaligen Bunker der Roten Armee. Und hier fand er die beiden kleinen Wildkatzen kläglich um Futter bettelnd.
Zur fachmännischen Aufzucht brachten die Nabu-Mitglieder diese in den Worbiser Bärenpark. Dort ging‘s ihnen gut, bis eine tödliche Krankheit das Leben der Welpen bedrohte. Der Bruder der Katze starb daran. „Dass es die Schwester schaffte, grenzt an ein Wunder“, sagt Sabrina Schröder, Projektleiterin im Bärenpark. Angesteckt haben sich die Wildtiere bei Hauskatzen, die in der Einrichtung abgegeben worden waren.
„Trotz strikter Quarantäne konnten wir nicht verhindern, dass es zur Infektion kam“, bedauert Schröder. Umso erfreulicher, dass wenigstens eins der Gothaer Tiere nun kurz davor ist, als kräftige Katze in die Freiheit entlassen zu werden – ausgebildet mit all den Fähigkeiten, die ihr das Überleben im Wald sichern.
Es gibt immer wieder Menschen, die im Bärenpark Katzen abgeben, die sie im Wald gefunden haben. Ob die Mutter noch am Leben ist oder nicht, werde dabei nicht geprüft. Deshalb bittet Schröder, die Fundtiere
lieber vor Ort zu lassen. Dass sie von ihren Muttertieren aufgezogen werden, ist wahrscheinlich. Nur wer ganz sicher ist, Waisen gefundne zu haben, sollte eingreifen.
Die Nabu-Mitglieder hätten sich gewünscht, dass das Tier wieder da seine Freiheit genießt, wo es geboren wurde, nämlich auf dem Krahnberg bei Gotha. Allerdings überzeugten sie die Argumente aus Worbis. Zum einen würde der Transport im Auto die junge Katze stressen. Und letztlich werden beim Schritt in die Freiheit nicht sofort alle Fäden zum Menschen zerschnitten. „Wir haben unser Gelände deutlich erweitert, um 30 Hektar“, informiert Projektleiterin Schröder. Ein
Teil des Geländes ist eingezäunt und wird neue Heimat von Bären und Luchsen. Die meisten davon kommen aus Zoos in der Ukraine, von wo sie evakuiert wurden.
Hänger hält Futter für die ersten Tage in Freiheit vor
„Der Wald dahinter wird aus jeglicher Nutzung herausgenommen, also wird dort weder gejagt noch werden Bäume gefällt. Das wird die neue Heimat der Wildkatze. Sie wird mit einem Hänger dort hingebracht, zu dem sie in den ersten Tagen auch immer wieder zurückkehren kann, um sich Futter zu holen.“Das sei am Krahnberg nicht so einfach zu bewerkstelligen gewesen, findet Sabrina Schröder. Dass die Katze in Freiheit nicht zurecht kommt, kann sich Heike Lindemann nicht vorstellen. „Sie ist eine geschickte Jägerin, wie wir sehen konnten.“
Als Katzenmütter sind sie und Ulrike Richter zwangsläufig eine Bindung mit den Wildtieren eingegangen. „Wir haben sie mit der Flasche gefüttert, ihnen den Bauch gekrault, weil die Verdauung noch nicht so richtig funktionierte. Und all das haben sie sich gern gefallen lassen.“Mit zunehmenden Alter und dazu gehöriger Selbstständigkeit setzte sich jedoch das Wildtier durch. „Es ist nicht so, dass uns die Katze nicht erkennt, nur passen wir nicht mehr in ihr Leben.“Das sei auch gut so, findet die Katzenmutter, die seit 20 Jahren im Bärenpark arbeitet.
In den nächsten Tagen wird das Wildtier seinen neuen Lebensraum erobern. Das hat sich um einige Tage hinausgezögert, weil die Katze rollig war. Zu groß die Gefahr, dass sie im Liebesrausch unter die Räder gekommen wäre. „Aber jetzt wird alles gut“, freut sich Sabrina Schröder. „Und wir wissen, im Wald hier kommen Wildkatzen vor, so dass die Partnersuche unseres Kätzchens nicht lange dauern wird.“
Und wer weiß, vielleicht wandert ja ihr Nachwuchs dereinst auf der Suche nach neuem Lebensraum bis hin zum Krahnberg.