Angekommen
Mit Fleiß hat sich Yuki Tanabe einen Platz in der Startsechs beim Thüringer HC erarbeitet
Erfurt. Es ist das Auto eines japanischen Herstellers. So ähnlich wie ihres zu Hause in Ishikawa. Irgendwann ist es doch passiert, erzählt Yuki Tanabe. Sie steigt ein und muss lachen. „Oh, mein Gott“, sagt sie, wenn sie daran denkt, wie sie auf dem Beifahrersitz sitzt und losfahren möchte.
Aus Versehen rechts einzusteigen ist Monate her. Die 32-Jährige hat sich lange an die Umstellung zum bekannten Linksverkehr gewöhnt und lenkt den Suzuki nicht nur sicher durchs Land. Spätestens seit der Rückrunde ist sie im THC-Bundesliga-Team angekommen.
„Im vergangenen Jahr habe ich wenig gespielt.“Sie ist froh, nun deutlich mehr Einsatzzeiten zu haben. Viel zu spielen motiviert noch mehr. Im Ergebnis stimmt auch die Ausbeute. Seit dem Dreierpack aus drei Chancen gegen Bensheim scheint der Knoten geplatzt zu sein – und sie ist das, was ihre Trikotnummer sieben verspricht.
Sieben verbinden Japaner mit Glück. Im Moment wünscht sie das vor allem auch Makoto Hasebe, Daichi Kamada und ihrer Frankfurter Eintracht. Vor wenigen Wochen ist sie ins Waldstadion gefahren, um die Fußballer aus der Heimat live zu sehen. Dort traf sie sich mit Haruno Sasaki. Die Rückraumspielerin von Borussia Dortmund und die Linksaußen des THC sind befreundet.
Gemeinsam spielten sie in der Nationalmannschaft und vier Jahre beim Top-Team Hokkoku Bank aus der Stadt Kanazawa. Sie sind die einzigen Handballerinnen aus dem
Kaiserreich in der Bundesliga. Dass beide die mehrfach meisterdekorierten „Honigbienen“, wie das Hokkoku-Team genannt wird, Richtung Deutschland fliegen, ist so nicht geplant gewesen. „Eigentlich wollte ich aufhören“, verrät Tanabe, „ich dachte, ich kann keine hundert
Prozent mehr geben“. Dann aber rief THC-Trainer Herbert Müller an. Dann wollte sie es noch einmal wissen und herausfinden, ob ein anderes Umfeld neue Kräfte freisetzt.
Durch zwei Serien beim ungarischen Klub Fehérvár KC (2014 bis 2016) ist sie mit Europa vertraut gewesen. Eine Umstellung ist es dennoch. Wegen des Verkehrs, der Kultur, weniger wegen des Essens. Sie passt sich an, isst vieles. Sushi steht wie bei vielen Japanern auch bei ihr weit oben. Ihre Mitspielerinnen wissen es zu schätzen, wenn sie selbst gemachte Spezialitäten auftafelt.
Trainer Herbert Müller schätzt an seiner Nummer sieben besonders ihre Einstellung. Arbeitsam, lernwillig, freundlich, beschreibt er sie. Die aus Kyoto stammende Außenspielerin erfüllt einige Klischees, die Japanern anhaften. „Sie gibt immer Gas“, betont ihr Trainer. Der Platz in der Startsechs ist erkämpft, nachdem die Nationalspielerin wegen der olympischen Spiele die halbe Sommervorbereitung verpasst hatte. Mit ihrem „Ankommen“steht sie für die Entwicklung des Teams.
„So ein Umbruch braucht Zeit, Geduld“, meint Herbert Müller im Blick zurück. Sein THC International mit 14 darin versammelten Nationen spielt wie zuletzt beim überzeugenden 27:21 in Oldenburg nun so, wie er es sich vorstellt. Vor allem die Deckung steht. Das MultikultiTeam ist auf dem Weg, das Ziel internationaler Startplatz zu erfüllen.
Das setzt voraus, gegen Zwickau zu gewinnen. Gelänge nächste Woche ein weiterer Erfolg beim starken Dritten Buxtehude, wäre die Europa League wohl so gut wie sicher.
Yuki Tanabe gefiele das. Sie bleibt und bildet in der kommenden Serie mit Johanna Stockschläder ein Duo auf Links. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt sie und steigt ein. Links selbstverständlich.
Thüringer HC – BSV Zwickau, Samstag, 18 Uhr, Salzahalle, Bad Langensalza