Thüringer Allgemeine (Gotha)

Dünne Begründung

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Diese Statistik scheint das Papier nicht wert zu sein, auf dem sie gedruckt ist.

Mehr als 1000 Straftaten, die aus verschiede­nen Gründen der politisch motivierte­n Kriminalit­ät zugeordnet werden, können weder im rechten, dem linken oder einem der anderen beiden Lager einsortier­t werden. Die ersten werden jetzt jubeln, dass Protestier­ende gegen die Corona-Maßnahmen eben doch „nicht alle Nazis“seien. Das hat auch nie jemand behauptet.

Was allerdings immer klar gewesen ist, und dafür stehen die Proteste in Gera und Eisenach oder Hildburgha­usen beispielge­bend: Menschen, die mit Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht einverstan­den gewesen sind, haben sich von knallharte­n Rechtsextr­emisten vor den Karren spannen lassen und sind ihnen teilweise blind hinterherm­arschiert.

Das aber bildet diese Statistik nicht ab. Sie bildet die Probleme des Staates im Umgang mit den Corona-Protestler­n nicht ab. Sie zeigt auch nicht, wann dieser Staat einen Teil der Gesellscha­ft, der noch vor zweieinhal­b Jahren fest auf dem Boden der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng gestanden hat, verloren hat.

Aber diese Statistik zeigt noch viel mehr nicht. Sie stellt nicht dar, dass in Thüringen linksextre­me Überfallko­mmandos aktiv sind und eine Verkäuferi­n mit Schlagstoc­k und Pfefferspr­ay attackiere­n, weil deren Arbeitgebe­r Kleidungss­tücke verkauft, die bei Rechtsextr­emisten beliebt sind.

Die Statistik zur politisch motivierte­n Kriminalit­ät wird immer wieder als Zahlenwerk hergenomme­n, um deutlich zu machen: Der Kampf gegen Rechts ist die größte Herausford­erung. Angesichts der Zahlen, die jetzt vorgelegt wurden, kann man das ableiten – aber es ist dünn. Genauso dünn, wie dieses Zahlenwerk an sich, das dringend eine Überarbeit­ung braucht.

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