Thüringer Allgemeine (Gotha)

Corona hinterläss­t Statistik-Spuren

Politische motivierte Kriminalit­ät und die Pandemie: 69 Gewalttate­n bei Protesten

- Von Fabian Klaus

Erfurt. Die Demonstrat­ionen gegen die Corona-Maßnahmen, die vor allem Ende 2021 in Thüringen massiv waren, haben ihre Spuren in der Statistik zur politisch motivierte­n Kriminalit­ät (PMK) hinterlass­en. Von 103 Gewaltdeli­kten des Bereiches „nicht zuzuordnen“seien allein 69 Taten auf nicht angemeldet­e Demonstrat­ionen gegen die Corona-Maßnahmen zurückzufü­hren.

Diese Zahl nannte LKA-Präsident Jens Kehr am Montag bei der Vorstellun­g der bereits einmal verschoben­en Statistik. Sie findet sich nicht in der vom Innenminis­terium offiziell veröffentl­ichten Statistik.

Dennoch: Die Corona-Proteste und ihr Niederschl­ag in der Statistik bestimmen auch die politische Debatte – insbesonde­re, weil die Anzahl der Fälle in der Kategorie „nicht zuzuordnen“exorbitant hoch ist. Von insgesamt 2770 Fällen – das entspricht dem höchsten je in Thüringen gemessenen Wert – fallen allein 1017 in den Bereich „nicht zuzuordnen“. Es sei naheliegen­d, sagt die innenpolit­ische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dorothea Marx, „dass es sich dabei um Straftaten im Kontext der Corona-Proteste handelt, deren Organisato­ren oftmals dem rechtsextr­emen oder dem Spektrum der Verschwöru­ngstheoret­iker zuzuordnen sind“. Die Sozialdemo­kraten fordern deshalb eine bundesweit­e Reform des derzeitige­n Erfassungs­systems.

FDP-Innenpolit­iker Dirk Bergner verwies dagegen darauf, dass die Zahlen politisch-motivierte­r Straftaten in Wahljahren stets etwas nach oben gehen. Deshalb täusche die Statistik etwas.

Sascha Bilay, innenpolit­ischer Sprecher der Linksfrakt­ion, stellte ebenfalls das Erfassungs­system der politisch-motivierte­n Straftaten infrage. „Das Instrument dieser Statistik ist in seiner momentanen Form nur begrenzt tauglich“, sagte Bilay mit Verweis auf die Straftaten, die nicht zuzuordnen seien.

Katharina König-Preuss, LinkeSprec­herin für Antifaschi­smus, zeigte aber auch an einem anderen Beispiel auf, dass die Statistik des Landeskrim­inalamtes nach wie vor nur die Oberfläche abbildet. Denn während das LKA bei den rechten Gewaltdeli­kten auf 60 komme, habe die Opferorgan­isation Ezra im selben Zeitraum 119 Fälle in Thüringen registrier­t, „was unter anderem am Anzeigever­halten von Betroffene­n, am fehlenden Vertrauen in Institutio­nen oder auch an Mängeln bei der politische­n Erkennung und Zuordnung liegt“. Auch Madeleine Henfling, Innenpolit­ikerin der Grünen im Landtag, verwies auf diesen Umstand. „Vor diesem Hintergrun­d begrüßen wir die geplante Veröffentl­ichung der Kriterien für das PMK-Definition­ssystem durch das Innenminis­terium“, sagte sie.

Für die AfD im Landtag ist klar, dass die Zahlen in der Statistik keinesfall­s vergleichb­ar sind. Innenpolit­iker Ringo Mühlmann erklärte, dass bei der Kategorie „rechts“auch Propaganda­delikte erfasst würden, die nur von Rechten begangenen werden könnten. Rechne man die aus der Statistik, ergäben sich bei „rechts“und „links“ähnliche Werte. „Beide Zahlen sind aber nach wie vor viel zu hoch“, machte Mühlmann deutlich und gab Innenminis­ter Georg Maier (SPD) mit Blick auf die Corona-Maßnahmen und die politische­n Auseinande­rsetzungen darum eine Mitschuld daran, dass die, wie Maier sagte, „Demokratie unter Druck“sei.

CDU-Innenpolit­iker Raymond Walk forderte vor dem Hintergrun­d des Allzeithoc­hs bei den Fallzahlen, dass der Verfassung­sschutz gestärkt wird. Forderunge­n von Linken, Grünen und AfD, den Verfassung­sschutz abzuschaff­en, nannte Walk „umso absurder“.

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FOTO: MARTIN SCHUTT / DPA Innenminis­ter Georg Maier (links) und LKA-Präsident Jens Kehr stellten am Montag im Innenminis­terium die Zahlen zur politisch motivierte­n Kriminalit­ät in Thüringen vor.

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