Corona hinterlässt Statistik-Spuren
Politische motivierte Kriminalität und die Pandemie: 69 Gewalttaten bei Protesten
Erfurt. Die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen, die vor allem Ende 2021 in Thüringen massiv waren, haben ihre Spuren in der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität (PMK) hinterlassen. Von 103 Gewaltdelikten des Bereiches „nicht zuzuordnen“seien allein 69 Taten auf nicht angemeldete Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen zurückzuführen.
Diese Zahl nannte LKA-Präsident Jens Kehr am Montag bei der Vorstellung der bereits einmal verschobenen Statistik. Sie findet sich nicht in der vom Innenministerium offiziell veröffentlichten Statistik.
Dennoch: Die Corona-Proteste und ihr Niederschlag in der Statistik bestimmen auch die politische Debatte – insbesondere, weil die Anzahl der Fälle in der Kategorie „nicht zuzuordnen“exorbitant hoch ist. Von insgesamt 2770 Fällen – das entspricht dem höchsten je in Thüringen gemessenen Wert – fallen allein 1017 in den Bereich „nicht zuzuordnen“. Es sei naheliegend, sagt die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dorothea Marx, „dass es sich dabei um Straftaten im Kontext der Corona-Proteste handelt, deren Organisatoren oftmals dem rechtsextremen oder dem Spektrum der Verschwörungstheoretiker zuzuordnen sind“. Die Sozialdemokraten fordern deshalb eine bundesweite Reform des derzeitigen Erfassungssystems.
FDP-Innenpolitiker Dirk Bergner verwies dagegen darauf, dass die Zahlen politisch-motivierter Straftaten in Wahljahren stets etwas nach oben gehen. Deshalb täusche die Statistik etwas.
Sascha Bilay, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, stellte ebenfalls das Erfassungssystem der politisch-motivierten Straftaten infrage. „Das Instrument dieser Statistik ist in seiner momentanen Form nur begrenzt tauglich“, sagte Bilay mit Verweis auf die Straftaten, die nicht zuzuordnen seien.
Katharina König-Preuss, LinkeSprecherin für Antifaschismus, zeigte aber auch an einem anderen Beispiel auf, dass die Statistik des Landeskriminalamtes nach wie vor nur die Oberfläche abbildet. Denn während das LKA bei den rechten Gewaltdelikten auf 60 komme, habe die Opferorganisation Ezra im selben Zeitraum 119 Fälle in Thüringen registriert, „was unter anderem am Anzeigeverhalten von Betroffenen, am fehlenden Vertrauen in Institutionen oder auch an Mängeln bei der politischen Erkennung und Zuordnung liegt“. Auch Madeleine Henfling, Innenpolitikerin der Grünen im Landtag, verwies auf diesen Umstand. „Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die geplante Veröffentlichung der Kriterien für das PMK-Definitionssystem durch das Innenministerium“, sagte sie.
Für die AfD im Landtag ist klar, dass die Zahlen in der Statistik keinesfalls vergleichbar sind. Innenpolitiker Ringo Mühlmann erklärte, dass bei der Kategorie „rechts“auch Propagandadelikte erfasst würden, die nur von Rechten begangenen werden könnten. Rechne man die aus der Statistik, ergäben sich bei „rechts“und „links“ähnliche Werte. „Beide Zahlen sind aber nach wie vor viel zu hoch“, machte Mühlmann deutlich und gab Innenminister Georg Maier (SPD) mit Blick auf die Corona-Maßnahmen und die politischen Auseinandersetzungen darum eine Mitschuld daran, dass die, wie Maier sagte, „Demokratie unter Druck“sei.
CDU-Innenpolitiker Raymond Walk forderte vor dem Hintergrund des Allzeithochs bei den Fallzahlen, dass der Verfassungsschutz gestärkt wird. Forderungen von Linken, Grünen und AfD, den Verfassungsschutz abzuschaffen, nannte Walk „umso absurder“.