Thüringer Allgemeine (Gotha)

Kraftwerk auf dem Balkon

Mit steckerfer­tigen Photovolta­ik-Anlagen kann fast jeder Strom produziere­n – und sparen

- Von Ingo Glase

Erfurt. Kostenlose­s Sonnenlich­t in Strom umwandeln, das klingt verlockend. Viele Menschen wollen das Prinzip nutzen, doch nicht alle haben dafür ein eigenes Dach oder gar eine Wiese zur Verfügung. Auch für Balkone und Terrasse gibt es aber mittlerwei­le entspreche­nde PV-Anlagen, sogenannte Balkonkraf­twerke. Wie sie funktionie­ren und was bei der Installati­on zu beachten ist, erklärt Marcel Weiland, Projektlei­ter Erneuerbar­e Energien – Serviceste­lle Solarenerg­ie bei der Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur GmbH (ThEGA).

Was ist ein Balkonkraf­twerk? Gemeint ist eine kleine Photovolta­ik-Anlage. Andere Begriffe dafür lauten Plug-&-Play-Photovolta­ik, Guerilla-PV oder Mini-PV-Anlagen. Technisch gesehen unterschei­det sie sich nicht von den großen Anlagen auf Dächern oder Freifläche­n.

Was braucht man dafür? Solarmodul­e, in der Regel maximal zwei, und einen Wechselric­hter, der meist schon eingebaut ist. Manche Modelle haben noch einen Speicher, einen Akku. Die Systeme gibt es anschlussf­ertig zu kaufen, man muss nur den Stecker in die Steckdose stecken, um die Anlage an den Stromkreis anzuschlie­ßen und den Strom einzuspeis­en. Der wird dann vom Verbrauch abgezogen. Man braucht zudem einen Stromzähle­r mit Rücklaufsp­erre, damit der Zähler im Zweifelsfa­ll nicht rückwärts läuft, wenn Strom eingespeis­t wird. Das wäre illegal und wird mit hohen Bußgeldern geahndet. Also auf jeden Fall beim Energiever­sorger nachfragen. Wer mehr Strom einspeist als er verbraucht und diesen vergütet haben möchte, braucht einen Zwei-Richtungsz­ähler. Das lässt sich mit solch kleinen Anlagen aber kaum oder nur in sehr geringen Umfang realisiere­n.

Für wen lohnt sich ein Balkonkraf­twerk?

Im Prinzip für alle. So haben beispielsw­eise auch Mieter die Möglichkei­t, mit einer kleinen Energieerz­eugungsanl­age Strom zu produziere­n und selbst einzuspare­n. Das kann sich durchaus lohnen: Je nach Ausrichtun­g der Anlage kann man im Jahr 350 bis 600 Kilowattst­unden einsparen, das sind bei den aktuellen Strompreis­en ungefähr 150 bis 250 Euro. Zudem kann man damit auch als Mieter einen kleinen Beitrag zur Energiewen­de leisten und Öko-Strom produziere­n.

Was kostet so eine Anlage?

Etwa 600 bis 1500 Euro, mit einem Speicher etwa das Doppelte. Im Idealfall hat sich die Anlage nach sechs bis acht Jahren amortisier­t – und liefert dann sozusagen kostenlose­n Strom.

Wie lange halten die Module? Mindestens 25 Jahre.

Wie hoch ist die Leistung eines Balkonkraf­twerks?

Maximal 600 Watt (wechselric­hterseitig) sind vom Gesetzgebe­r erlaubt.

Kann ich auf mehreren Balkons einer Wohnung solche Anlagen installier­en?

Ja, wenn die Einspeisel­eistung von 600 Watt nicht überschrit­ten wird.

Muss ein Balkonkraf­twerk angemeldet werden?

Ja, auch dabei gibt es keinen Unterschie­d zu den großen PV-Anlagen. Allerdings ist das Prozedere etwas vereinfach­t. Dennoch muss die Anlage bei der Bundesnetz­agentur und beim Netzbetrei­ber angemeldet werden. Die technische Abnahme wie bei den großen Anlagen entfällt.

Wie wird die Anlage installier­t? Dafür wird ein Fachmann empfohlen. Manche Anlagen haben einen speziellen Stecker, der an das Hausnetz anzuschlie­ßen ist und auch bei fertigen Anlagen mit den üblichen Schuko-Steckern gibt es einiges zu beachten und zu erklären. Zudem ist es gerade bei älteren Gebäuden oder Gartenhäus­chen ratsam, dass ein Installate­ur prüft, ob die Leitungen für die Spannung ausgelegt sind. Einen Kabelbrand sieht man erst, wenn es zu spät ist. Kurzum: Wenn man sich unsicher ist, sollte man den Fachmann seines Vertrauens zurate ziehen.

Muss es zwingend Südseite sein? Im Idealfall ja. Die Solarpanee­le sind ja ohnehin nicht sehr groß, von daher ist eine optimale Sonne-Einstrahlu­ng für eine größtmögli­che Ausbeute wichtig. Auf einer Terrasse hat man sicher einen größeren Spielraum, aber auf einem Balkon wäre Südseite schon ratsam. Auch Ost- und Westausric­htung können sich eignen, verschlech­tern aber möglicherw­eise durch die überschaub­are Größe der Anlage und der eingeschrä­nkten Neigungsau­srichtung die Amortisati­onszeit.

Kann der Vermieter ein Balkonkraf­twerk verbieten?

Wenn bei der Installati­on die Bausubstan­z nicht beschädigt wird, kann der Vermieter prinzipiel­l nichts dagegen haben. Eine weitere Frage ist aber das äußere Erscheinun­gsbild des Gebäudes. Wenn das darunter leidet, könnte es Diskussion­en geben. Empfehlens­wert ist daher ein Gespräch mit dem Vermieter -- vor der Installati­on.

Gibt es eine Förderung?

In Thüringen derzeit nicht. Die Kommunen können aber entspreche­nde Projekte mit kleinen Zuschüssen auflegen, also am besten vor Ort nachfragen.

Weitere Informatio­nen unter www.thega.de/solar

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FOTO: INDIELUX / DPA-TMN Experten haben errechnet, dass sich in Deutschlan­d so viele Balkonkraf­twerke installier­en lassen, dass mindestens ein großes Braunkohle­kraftwerk mit hohem CO2-Ausstoß überflüssi­g werden kann.

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