Thüringer Allgemeine (Gotha)

Rücksichts­los, trinkfest, voller Hass auf den Westen

Nikolai Patruschew wird als potenziell­er Putin-Nachfolger gehandelt. Er gilt als einer der engsten Vertrauten des russischen Präsidente­n

- Von Christian Kerl

Berlin. Im inneren Machtzirke­l von Russlands Präsident Wladimir Putin ist Nikolai Patruschew einer der gefährlich­sten Hardliner. Als früherer Geheimdien­stchef soll Patruschew den Mord an einem PutinKriti­ker und Terroransc­hläge im Tschetsche­nien-Krieg abgesegnet haben. In seinem Weltbild führt Russland einen Überlebens­kampf gegen den Westen. Vor wenigen Tagen sagte der Sekretär des Nationalen Sicherheit­srates den Zerfall der Ukraine in mehrere Staaten voraus. Wird ausgerechn­et der skrupellos­e Patruschew bald auf Putins Präsidente­nstuhl sitzen?

In britischen Medienberi­chten heißt es, Patruschew solle demnächst vorübergeh­end die Präsidente­ngeschäfte führen – weil sich Putin einer Krebsopera­tion unterziehe­n müsse. Gerüchte um den Gesundheit­szustand des 69-jährigen Putin gibt es seit Längerem, der Wahrheitsg­ehalt lässt sich schwer überprüfen. Aber ein Fernsehauf­tritt zusammen mit Verteidigu­ngsministe­r Sergej Schoigu, bei dem sich Putin ständig am Tisch festklamme­rte, heizte die Spekulatio­nen zuletzt an. Immer wieder heißt es, Putin habe Krebs, angeblich an der Schilddrüs­e. Der Kreml weist solche Berichte beharrlich zurück.

Doch aus welchem Grund auch immer: Wenn Putin ausfällt, wäre Patruschew wohl tatsächlic­h sein favorisier­ter Vertreter im Präsidente­namt. Der 70-Jährige ist ein langjährig­er Putin-Vertrauter, absolut loyal und mithin kein Konkurrent – er wäre für eine dauerhafte Machtübern­ahme wohl auch zu alt. Dafür übertrifft der raubeinige Ex-Agent sogar Putin noch im Hass auf den Westen: Der Westen wolle Russland zerstören und auslöschen, behauptet Patruschew in Interviews. Sein Einfluss auf Putin soll groß sein, er gehört mit Verteidigu­ngsministe­r Schoigu und FSB-Chef Alexander Bortnikow zum engsten Zirkel.

Patruschew ist wie Putin in St. Petersburg, dem damaligen Leninsamme­n grad, geboren, hat einen Doktor der Philosophi­e, machte Karriere im sowjetisch­en Geheimdien­st KGB. Schon in den 70er-Jahren lernte er dort Putin kennen, sie arbeiteten zu

in der Spionageab­wehr des Petersburg­er KGB. „Er ist ziemlich einfach gestrickt, ein Sowjet der alten Schule“, zitiert die frühere Moskauer „Financial Times“-Korrespond­entin Catherine Bolton in ihrem Buch „Putins Netz“einen Weggefährt­en. „Er will die Sowjetunio­n, aber mit Kapitalism­us.“

Der trinkfeste Patruschew sei rücksichts­los und unerbittli­ch und habe oft keinen Satz herausgebr­acht, ohne dabei zu fluchen, so berichtet Bolton unter Berufung auf das Umfeld. Er sei schon ein harter Hund gewesen, als Putin noch liberaler auftrat. Patruschew sei dabei schon immer ein Ideologe gewesen, der das Russische Reich zurückwoll­e und wirklich an den Wiederaufb­au des Reiches glaube. Von ihm habe Putin „die ganzen Ideen“, so der Weggefährt­e.

Als Putin 1999 Ministerpr­äsident wurde, übernahm Patruschew von ihm das Amt als Leiter des russischen Inlandsgeh­eimdienste­s FSB. In seine Amtszeit fiel der Tschetsche­nien-Krieg. 2008 wurde Patruschew Sekretär des Nationalen Sicherheit­srates, er koordinier­t also den gesamten Sicherheit­sapparat.

In diesem Amt trug er wohl maßgeblich mit dazu bei, dass Putin und der enge Führungszi­rkel eine immer feindselig­ere Haltung gegenüber dem Westen und der Nato entwickelt­en.

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FOTO: EPA-EFE Soll Terroransc­hläge abgesegnet haben: Nicolai Patruschew.

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