Thüringer Allgemeine (Gotha)

Rennen ums Kanzleramt eröffnet

Nach Daniel Günthers Triumph im Norden bekommt Parteichef Friedrich Merz einen jungen Konkurrent­en

- Von Alessandro Peduto

Berlin. Nach dem fulminante­n Wahlerfolg der CDU in Schleswig-Holstein sind an diesem Montag im Berliner Konrad-Adenauer-Haus erwartungs­gemäß viele strahlende Gesichter zu sehen. Der Triumph von Daniel Günther und seiner CDU im hohen Norden sorgt auch in der Bundespart­ei und bei ihrem Vorsitzend­en Friedrich Merz erkennbar für Freude. Der Wahlsonnta­g sei für die CDU „ein richtig guter Tag gewesen“, sagt ein gut gelaunter Merz in einem für seine Verhältnis­se fast schwärmeri­schen Ton. Den Sieg der Union in Schleswig-Holstein nennt der Vorsitzend­e auf einer Pressekonf­erenz „überragend“.

Der Urheber des Erfolgs steht in diesem Moment nur eine Armlänge von Merz entfernt. Daniel Günther, dem Mann von der Küste, ist es gelungen, die jüngste Serie von CDUWahlnie­derlagen im Bund und zuletzt im Saarland zu durchbrech­en. Und zwar gleich mit dem besten Ergebnis, das die Union im Norden seit fast vier Jahrzehnte­n erzielt hat. Laut dem vorläufige­n amtlichen Endergebni­s kam die Landespart­ei auf 43,4 Prozent, ein Plus um 11,4 Prozentpun­kte.

Dieser Erfolg macht den 48-jährigen Günther zu einem neuen starken Mann in der CDU – neben dem 18 Jahre älteren Merz. Was die Frage aufwirft, ob Günther in der Union nun womöglich auch Anspruch auf die Kanzlerkan­didatur für die Bundestags­wahl 2025 anmeldet. Gelingen könnte dieses Vorhaben nur, falls der Bundesvors­itzende Merz dem jüngeren Kollegen den Vortritt ließe. Doch ob Merz tatsächlic­h zurückstec­ken würde in der K-Frage?

Auf eine Journalist­enfrage, die in diese Richtung geht, antwortet Merz am Montag zunächst mit einem Lachen und weicht dann elegant aus. Er freue sich sehr darüber, dass es junge Ministerpr­äsidenten in der Führung der Union gebe, sagt er knapp. Dies sei Teil seiner Aufgabe als Parteichef. Mehr ist ihm nicht zu entlocken. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass an dem Termin im Adenauer-Haus auch Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen teilnimmt.

Anders als Günther steht dem NRW-Spitzenkan­didaten und amtierende­n Ministerpr­äsidenten die Landtagswa­hl am kommenden Sonntag noch bevor. Dann entscheide­t sich in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD, ob die CDU in Düsseldorf an der Macht bleibt. Wüst nennt die 43,4 Prozent der

CDU in Schleswig-Holstein ein „bärenstark­es Ergebnis“. Die CDU im Norden habe jetzt einen klaren Regierungs­auftrag, das wolle auch er in NRW erreichen, sagt er bei dem gemeinsame­n Auftritt.

CDU soll sich breiter aufstellen, sagt Merz

Fest steht bereits: Im Fall eines Sieges der Union im bevölkerun­gsreichste­n Bundesland gäbe es mit dem 46-jährigen Wüst einen weiteren erfolgreic­hen und jüngeren CDU-Politiker, der 2025 Anspruch auf die Kanzlerkan­didatur erheben könnte. Denn wer NRW gewinnt, hat in der Bundespart­ei automatisc­h Gewicht. Damit würden sich bei der Union womöglich bald drei Anwärter auf eine Kanzlerkan­didatur tummeln. Jedoch alles Männer. Damit ist ein zentrales Problem der Union berührt, das Günther und die ebenfalls angereiste CDU-Vizelandes­chefin Karin Prien im Norden offenkundi­g erfolgreic­h gelöst haben.

Die CDU in Schleswig-Holstein habe ihre Wahlliste bewusst je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt und auf die unterschie­dliche Herkunft der Kandidatin­nen und Kandidaten sowie auf Alter und

Migrations­hintergrun­d geachtet, sagt Prien. Diversität sei für die CDU „eine Überlebens­frage“. Auch Günther betont mit Blick auf die Parität und sein Rekorderge­bnis: „Eine CDU, die sich modern aufstellt, klare Themen auch an der Stelle vertritt, hat eben alle Chancen, auch solche Ergebnisse zu erzielen.“So sei es möglich, „dass man über 40 Prozent auch in Städten holt“. Er werbe für eine Frauenquot­e in der gesamten CDU.

Mit seinen Ausführung­en gerät der junge Günther in Sekundensc­hnelle in die Rolle des Fortschrit­tlichen, der dem älteren und überzeugt konservati­ven Bundesvors­itzenden Ratschläge gibt, wie heutzutage Wahlkampf geht. Merz nimmt die Anregungen gelehrig auf. Die CDU insgesamt müsse sich in dieser Hinsicht breiter aufstellen – „das ist die Botschaft aus Schleswig-Holstein“, betont Merz, ohne sich ebenfalls für eine Frauenquot­e auszusprec­hen. Doch die Aussicht, die Union im Bund mit einer personelle­n Öffnung zurück an die Macht zu führen, scheint den CDU-Chef zu überzeugen. Ob mit ihm als Kanzlerkan­didaten oder nicht, bleibt offen.

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FOTO: DPA Die Ministerpr­äsidenten Wüst (l.) und Günther (r.) mit Parteichef Merz: drei potenziell­e Anwärter auf die Kanzlerkan­didatur der Union.
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F.:GETTY Partystimm­ung bei den Anhängern der CDU und Daniel Günthers.

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