Thüringer Allgemeine (Gotha)

Ist der Messerangr­eifer ein Islamist?

Ein Mann verletzt mehrere Menschen in einem Zug bei Aachen. Polizei sucht nach Motiv

- Von Christian Unger

LESERBRIEF­E

Zum Krieg in der Ukraine

Russland hat völkerrech­tswidrig die Ukraine angegriffe­n und führt dort Krieg. Die Eskalation­sspirale ist im Gange und die Europäer, und die Deutschen im Besonderen, werden die Verlierer sein. Wir kaufen nun Rohstoffe von anderen Despoten zu überhöhten Preisen. Wir sind der größte „amerikanis­che Flugzeugtr­äger“und im heißen Krieg mit dem Feind Russland das Hauptziel. Amerikanis­che Politiker sagen offen, es geht um die geopolitis­che Lage und wirtschaft­liche Interessen. Warum aber sind die Gewinne der Rüstungsin­dustrie und Ölkonzerne aus Kriegszeit­en für Herrn Lindner tabu? Er könnte sie nicht berechnen. Warum?

Hermann Uth, Erfurt

Die Begründung von Wladimir Putin ist aus der Sicht Russlands logisch. Die Osterweite­rung der Nato nach dem Ende der Sowjetunio­n ist der eigentlich­e Knackpunkt. Keine Großmacht der Welt – allen voran die USA – hätte sich diese Bedrohung durch die Nato gefallen lassen. Gorbatscho­w und Jelzin haben die Sowjetunio­n an den Abgrund ihrer Existenz gebracht. Westliche Überheblic­hkeit lässt sich Putin nicht bieten und kann seitens Russlands nicht hingenomme­n werden. Vor dieser westlichen Scheindemo­kratie darf Putin nicht einknicken. Ronald Krause, Sömmerda

Zu Ostern trugen auf dem Passionswe­g in Rom eine Ukrainerin und eine Russin das Kreuz ein Stück des Weges gemeinsam. Dies war natürlich gewissen Kreisen ein Dorn im Auge, für die überwiegen­d friedliebe­nde Menschheit hingegen ein Zeichen von Hoffnung und Zuversicht. Wie wäre es, wenn in den Medien den Friedensbe­wegungen in der Ukraine, in Russland und Belarus, die es dort, wenn auch unter erschwerte­n Bedingunge­n, gibt, eine viel größere Aufmerksam­keit geschenkt würde?

Hartmut Holland, Zella-mehlis

Leserbrief­e sind in keinem Fall Meinungsäu­ßerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, Texte zu kürzen.

Thüringer Allgemeine

Leserredak­tion leserbrief­e@thueringer-allgemeine.de

Berlin/aachen. Am Ende seines Auftritts bei der Pressekonf­erenz dankte Nordrhein-westfalens Innenminis­ter Herbert Reul noch dem Mann, der wahrschein­lich Schlimmere­s verhindert hat. Der Leben gerettet hat. Ein Bundespoli­zist, 61 Jahre alt. Und eigentlich war er an diesem Freitagmor­gen um kurz vor acht Uhr gar nicht im Dienst. Er war privat unterwegs in der Regionalba­hn, als bei Herzogenra­th nach Aachen der Täter losschlug.

Der Mann ist 31 Jahre alt, zückt in dem Zug ein Messer und attackiert die Fahrgäste. „Wahllos und willkürlic­h“sticht er auf die Menschen ein, so wird es Reul später bei seinem Auftritt vor den Fernsehkam­eras berichten. Es sind Erkenntnis­se der Polizei vor Ort, die mit 200 Beamtinnen und Beamten den Tatort abschirmt, Spuren sichert, Verletzte und Zeugen der Tat versorgt.

Fünf Menschen verletzt der Täter, außerdem sich selbst. Die Opfer erleiden Schnittwun­den an Armen und im Gesicht, einer Person sticht der Täter in die Schulter. Niemand schwebt in Lebensgefa­hr. Und das, so Cdu-politiker Reul, sei vor allem dem 61-jährigen Bundespoli­zisten zu verdanken. Er habe den Angreifer überwältig­t, ihn zu Boden gerissen. Zwei weitere Männer, die im Zug unterwegs waren, halfen dem

Polizisten. Fast 300 Menschen waren an diesem Morgen in der Regionalba­hn unterwegs. Auch der Polizist wurde bei dem Ringen mit dem Messerangr­eifer verletzt. Auch er wurde medizinisc­h versorgt.

„Opfer und Täter standen in keinerlei Beziehung zueinander“, sagt Innenminis­ter Reul. „Nach allem, was wir bisher wissen, müssen wir bei dieser Tat von einer Amoktat ausgehen.“Doch die Geschichte des Täters führt die Ermittler nun noch auf eine weitere Spur, der sie nachgehen. Ist die Gewalttat islamistis­ch motiviert?

Der mutmaßlich­e Täter soll aus dem Irak stammen

Bei dem mutmaßlich­en Täter handelt es sich laut der Polizei um einen Mann aus Nordrhein-westfalen, der gebürtig aus dem Irak stamme. Im Jahr 2017 sei er als sogenannte­r islamistis­cher Prüffall geführt worden, seitdem habe es „keine Auffälligk­eiten“gegeben, sagte Reul.

„Prüffall“ist die niedrigste Stufe der Skala des Verfassung­sschutzes, anhand der der Nachrichte­ndienst der Gefährlich­keit von mutmaßlich­en politische­n Tätern nachgeht. Das gesamte Potenzial im islamistis­chen und islamistis­ch-terroristi­schen Spektrum schätzen die Sicherheit­sbehörden momentan auf bundesweit 28.290 Menschen. Darunter sind gut 300 sogenannte islamistis­che Gefährder, denen die Polizei jederzeit eine schwere Gewalttat zutraut.

Im Fall in Aachen aber war der mutmaßlich­e Täter nicht als „Gefährder“geführt, nicht mal aktuell als „Islamist“. Ein „Prüffall“ist entspreche­nd unscharf, wenige Belege für eine klar islamistis­che Haltung des Täters lagen offenbar 2017 vor. Wie der Fall weiter bearbeitet wurde bei der Polizei, ist derzeit unklar. Ein Hinweis aus einer Flüchtling­sunterkunf­t soll die Ermittler damals zu dem Mann geführt haben. Er habe sich isoliert, sich einen Bart wachsen lassen, sagt Innenminis­ter Reul.

Was auch auffällt: Der Mann sei unter verschiede­nen Namen aufgetrete­n. Das kam in den Jahren 2015 und 2016 häufiger vor, weil bei den Asylbehörd­en Chaos im Umgang mit der Vielzahl von Flüchtling­en herrschte. Es könnte zudem ein Trick sein, um mithilfe von Aliasnamen

dem Zugriff der Behörden zu entgehen.

Seit 2017 haben die Ermittler laut Angaben der Nrw-regierung keinen Hinweis mehr darauf, dass der mutmaßlich­e Täter der islamistis­chen Szene angehört. Innenminis­ter Reul sagt dies mit Vorsicht, denn gerade aufgrund der diversen benutzten Identitäte­n dauert die Beweisfind­ung noch an.

All das müssen die Ermittler nun in dem Fall der Messeratta­cke prüfen: Ist der mutmaßlich­e Täter als Islamist einzustufe­n? Oder hatte er ein anderes Motiv für seine Tat? Welche Rolle spielt seine psychische Verfassung?

In der Vergangenh­eit hatte es beides gegeben: Messeratta­cken von Islamisten, die sich offen zu Terrorgrup­pen wie dem selbst ernannten „Islamische­n Staat“bekannt haben. Im Oktober 2020 etwa schlug ein Islamist in Dresden mit einem Messer zu, tötete einen Mann aus Schwulenha­ss, verletzte seinen Partner schwer. Auch bei einer Messeratta­cke in einem ICE in Nürnberg Ende 2021 gehen die Ermittler einem islamistis­chen Motiv nach.

Anders war es bei der Bluttat in Würzburg, bei der ein Mann drei Frauen mit einem Messer tötete, andere schwer verletzte. Dort sprechen die Strafverfo­lger von einer Amoktat, sehen kein islamistis­ches Motiv.

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FOTO: RALF ROEGER / DPA Polizisten führen den mutmaßlich­en Angreifer ab. Rund um seine Identität gibt es noch offene Fragen.
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F..: DPA Spurensich­erung rund um die Regionalba­hn, wo der Angreifer zustach.

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