Rekord im Verborgenen
Vor 50 Jahren interessierte beim FC Rot-weiß Erfurt nur der Aufstieg. Nun fällt die Bestmarke von einst
Erfurt. Nach 13 Siegen in Serie mit 52:4 Toren ist für die Oberliga-fußballer des FC Rot-weiß Erfurt die Regionalliga-rückkehr zum Greifen nah. Schon mit dem nächsten Triumph am Sonntag gegen Wernigerode könnte nach mehr als 50 Jahren zugleich ein neuer Vereinsrekord aufgestellt werden. Wie in der Spielzeit 1971/72 winkt als Krönung der Aufstieg.
Damals aber geriet die Statistik zur Marginalie. „Den Fakt, dass uns 13 Siege am Stück gelungen sind, interessierte damals niemanden. Wir waren zum Aufstieg verdammt“, sagt Ex-nationalspieler Lutz Lindemann, der für Erfurt in jener Serie 17 Treffer erzielte.
Im Sommer 1971 hatte der Club nur aufgrund des schlechteren Torverhältnisses hinter den punktgleichen Mannschaften von Stahl Riesa und Wismut Aue den Klassenerhalt in der Oberliga verpasst – und Erfurt zurück in die Staffel E der DDRLIGA
rutschen lassen. Dort gelang aber eine beeindruckende Serie aus 13 Erfolgen, garniert mit 54:4 Toren. „Bei allem Respekt vor den Gegnern, in Euphorie ist niemand verfallen. Wir wollten alle im Verein einfach nur wieder aufsteigen“, erinnert sich Lindemann, der bis 1977 bei Rot-weiß kickte.
Die Saison 1971/72 hält viele Parallelen zur aktuellen Serie bereit, in der bislang mit dem 0:1 beim FC An der Fahner Höhe nur eine einzige Niederlage zu Buche steht. Auch damals, vor 50 Jahren, kassierte der Rot-weiß am 20. Spieltag mit dem 1:2 gegen Sömmerda eine Pleite, die aber damals wie heute kaum ins Gewicht fiel. Der Absturz in die DDRLIGA bedeutete einst auch, dass Erfurt
nun – so wie in der aktuellen Serie – plötzlich nur noch gegen Jenas Zweite antreten musste.
Das Heimspiel gegen Jena II, das 2:1 endete, behielt er in besonderer Erinnerung. Als 22-Jähriger wollte er unbedingt spielen. Dabei bekam er schlecht Luft, war nicht gesund. Seinem Trainer Siegfried Vollrath verschwieg er das: „Das war nicht von Vorteil, denn es stellte sich eine Lungenentzündung heraus und ich bin länger ausgefallen.“
Der Erfurter Rückkehr in die Oberliga aber tat das keinen Abbruch, zumal mit einem Zuschauerschnitt von 6000 pro Heimspiel der Zuspruch trotz des Abstiegs nach wie vor groß war. Mit 40:4 Punkten stürmte die Elf in die Aufstiegsrunde, in der Rot-weiß mit sechs Siegen und zwei Remis souverän die Oberliga-rückkehr perfekt machte.
Trotz aller Aufstiegseuphorie damals beim wegweisenden 2:0 gegen den Mitaufsteiger BSG Chemie Leipzig ging es abseits des Feldes eher beschaulich zu. Heute undenkbar: „Beim Spiel mit 22.000
Zuschauern waren 17 Polizisten dabei“, erinnert sich Lindemann.
In der aktuellen Saison hat er Rotweiß live verfolgt. „Die erste Halbzeit beim 2:1 in Plauen war das Beste, was ich seit langem von einem Oberligisten gesehen habe.“Er glaubt, dass Erfurt durchaus eine ordentliche Rolle in der Regionalliga spielen kann – unter einer Bedingung: „Wenn sich Erfurt noch mit zwei gestandenen Leuten mit Erfahrung verstärkt, kann das gelingen.“