Aufarbeitung eines Skandals
Awo-Landeskonferenz: moralischer Schaden und der Versuch der Erneuerung
Erfurt. Ulrike Grosse-Röthig spaziert gut bepackt mit Aktenordner in der linken und Rucksack in der rechten Hand der Arena in Erfurt entgegen. Die stellvertretende AwoLandesvorsitzende ist auf dem Weg zur Landeskonferenz des Wohlfahrtsverbands. Dort wird auch die Affäre um überzogene Managergehälter und andere Verfehlungen rund um Ex-Geschäftsführer Michael Hack eine Rolle spielen, die den Verband in eine tiefe Krise stürzte. Dennoch ist Grosse-Röthig guter Laune. Die Frage, was sie erwarte, wie die Veranstaltung ablaufen werde, beantwortet sie lächelnd mit: „Na, sonnig.“Ein Treffen der Kreisvorsitzenden sei jüngst bereits „richtig schön“gewesen. Es gehe voran mit der Erneuerung.
Das klingt vielversprechend. In der Arena konfrontiert die Landesvorsitzende Petra Rottschalk die gut 110 Delegierten aber mit den realen Auswirkungen des hausgemachten Skandals, der immer noch die Gerichte beschäftigt. „Fernab von jeglicher rechtlicher Bewertung ist der moralische Schaden aber viel viel schlimmer. Eine ehrliche Aufarbeitung ist unerlässlich, um dem Vertrauensverlust etwas entgegensetzen zu können“, sagt sie.
Dass die Aufarbeitung noch eine Weile andauern wird, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass mit Lore Mikolajczyk und Claudia Zanker gerade mal zwei der ehemaligen elf Vorstände entlastet werden.
Vor allem Zanker hatte lange unbeirrt dafür gekämpft, die internen Missstände ans Licht zu bringen. Sie wird dafür mit den Emma-Sachse-Preis, der höchsten Auszeichnung der Thüringer Awo, geehrt. Zanker habe mit „ihrem Sinn für Gerechtigkeit, mit ihrem Herz und ihrer aufrechten Haltung“, die Awo Thüringen in den vergangenen Jahren verändert, sagt Rottschalk.
Dass die Delegierten die übrigen damaligen Verantwortungsträger nicht so einfach ziehen lassen, liegt sicherlich auch an den mahnenden Worten von Christian Stückrad, dem Rechtsanwalt der Awo-Tochter AJS. Der Jurist führt aus, dass Vorstandschef Werner Griese und Stellvertreterin Elvira Diebold den AwoGovernance-Kodex von 2018 verletzt hätten und es ein laufendes Ermittlungsverfahren gebe.
Stückrad erläutert, dass, obwohl die beiden damaligen Geschäftsführer der Alten-, Jugend- und Sozialhilfe (AJS) gGmbH, Hack und Achim Ries, die im Kodex verankerten Gehaltsobergrenzen „sehr deutlich bereits überschritten“, Griese und Diebold mit ihren Stimmen in Gesellschafterversammlung und geschäftsführendem Landesvorstand 2019 dafür gesorgt hätten, dass die Gehälter der Manager jeweils um 20.000 Euro pro Jahr stiegen. Wenn man in Kenntnis einer Pflichtverletzung eine Entlastung erteile, seien Schadensersatzansprüche quasi verziehen und man könne keine Ansprüche mehr geltend machen, sagt Stückrad. Bei der Staatsanwaltschaft Mühlhausen wird nach seinen Angaben gegen Hack, Ries, Griese und Diebold wegen Untreue ermittelt.
Die Awo-Affäre war vor zwei Jahren von dieser Zeitung aufgedeckt worden. Seitdem hat sich einiges getan. Die Awo-Spitze wurde ausgetauscht. Geschäftsführer aller Thüringer Awo-Gliederungen müssen dem Landesvorstand gegenüber jährlich ihre Gehälter und Anstellungsverträge offenlegen. Führung und Aufsicht sind strikt getrennt.
Die sonnige Prognose für den Tagungsverlauf von Awo-Vize GrosseRöthig wird am Ende kaum getrübt. Allerdings wird gleich am Morgen klar, dass sich viele Beschäftigte nicht auf der Sonnenseite sehen. Die Gewerkschaft Verdi hat eine kleine Kundgebung organisiert und konfrontiert die ankommenden Delegierten mit Forderungen nach einem guten Tarifvertrag und guten Arbeitsbedingungen.
Geht es nach dem Leitbild, das die Landeskonferenz schließlich verabschiedet, dürfen sich die Beschäftigten jedoch Hoffnung machen. Die Überschrift lautet: „Gemeinsam innovativ und stark!“