Der laufende Diplomat
Jürgen Lange ist seit 2004 Präsident des Rennsteiglaufvereins. Samstag erlebt der Cross seine 49. Auflage
Erfurt/Schmiedefeld. Ja, es gibt unterwegs Haferschleim. Ja, es gibt Klöße am Vorabend. Ja, es gibt Massenstarts. Ja, es gibt die Party im Ziel in Schmiedefeld. Regelmäßig muss Jürgen Lange die Fragen beantworten, ob bei der 49. Auflage des Rennsteiglaufs am Samstag alles so ist wie vor der Pandemie. Ja, so wird es sein. Einzig beim Wetter könnte es einen Unterschied geben, laut letzte Vorhersage sollen es rund 15 Grad werden. „Noch im April hatten wir ein bisschen Holiday on Ice“, so
Lange, „mehrere Schnee- und Eisreste auf den Wegen.“
Mit rund 13.000 Meldungen rechnet der veranstaltende Rennsteiglaufverein, dessen ehrenamtlicher Präsident Jürgen Lange seit 2004 ist. Das sind etwa 4000 Teilnehmer weniger als in Rekordzeiten, „doch nach Corona halten sich auch die Läufer trotz Wegfalls der Beschränkungen noch zurück. Das zeigen ebenfalls andere Veranstaltungen.“
Der 63-Jährige selbst, der nach fast drei Jahrzehnten Tätigkeit als Abteilungsleiter im Wirtschaftsministerium im Ruhestand ist, will den langen Kanten bestreiten: 73,9 Kilometer. Die hat er letztmals 2014 bewältigt. „Inzwischen habe ich jedoch das Gefühl, dass die Berge etwas höher und die Täler etwas tiefer geworden sind“, erzählt er lächelnd. Diesbezügliche Eindrücke sind frisch, im April hat Jürgen Lange erstmals am Rennsteig-Etappenlauf teilgenommen: 168 Kilometer nonstop in fünf Tagen. Und das, obwohl ihn vor geraumer Zeit eine Lungenembolie arg ausgebremst hatte.
Doch er reicht Lorbeer schnell weiter, kommt auf andere Athleten zu sprechen: Auf Wolfgang Nadler und Ronald Winkler beispielsweise. Der eine 70, aus Delitzsch, der andere 75, ein Berliner. Beide bestreiten am Samstag zum 47. Mal hintereinander den Supermarathon – „Wahnsinn“, so Lange. Übertroffen werden sie von der Anzahl nur vom
Jenaer Gründungsmitglied HansGeorg Kremer, der sich zuletzt wandernd gemeldet hatte.
Die Tradition macht den Lauf aus Langes Sicht so einzigartig. Wer einmal gestartet ist, kommt meist wieder. Doch erst, wer das 25. Mal dabei ist, erhält einen Platz im Ehrenbuch.
„Ein Luxus, den wir uns da leisten“, so der Familienvater und stolze Opa, der aus Kassel stammt. Das Besondere des Abenteuers über Stock und Stein: Es wurde nicht von Funktionären, sondern Studenten erfunden und hat sich erfolgreich über die Wendezeit gerettet. Auch, weil danach manch richtige Entscheidung getroffen wurde, wie die, den Halbmarathon einzuführen. „Der Mythos lebt, doch wir mischen ihn mit der Moderne“, gesteht Lange, wozu mittlerweile die Digitalisierung oder das Reichen von Elektrolytgetränken zählen.
Tausende Dinge sind bei der Vorbereitung zu beachten, „zum Glück ist unser Verein mit 1100 Mitgliedern groß und stark“, zudem gibt es eine riesige Schar an 1600 ehrenamtlichen Helfern aus weiteren 20 Vereinen.
Seinem Wesen entsprechend versucht Jürgen Lange „diplomatisch“dabei jedes Jahr die Gedanken, Ideen und Meinungen zusammenzuführen, „nirgendwo gibt es bei einer Veranstaltung im Thüringer Wald wohl so ein regionales und lokales Miteinander wie beim Rennsteiglauf.“Der hat längst auch einen riesigen wirtschaftlichen Faktor, der Umsatz liegt im siebenstelligen Bereich.
„Wir gehören ja laut Umfragen nicht nur zu den beliebtester Laufveranstaltungen in Europa, sondern zu den zehn größten in Deutschland“, erzählt Lange. Er war selbst laufend unter anderem in New York, San Francisco, Davos, Liechtenstein. „Die 100 Marathons will ich gern vollmachen.“Samstag folgt für ihn sein 85., der zugleich sein 24. beim Rennsteiglauf ist. Mit Haferschleim, Klößen und Zielparty. Wie immer also.
49. Rennsteiglauf: Samstag, 21. Mai rennsteiglauf.de