Thüringer Allgemeine (Gotha)

Die Ampel tut nur den Grünen gut

Die Wahl in Nordrhein-Westfalen lässt SPD und FDP als Verlierer zurück. Was das für die Regierungs­koalition im Bund bedeutet

- Von Jan Dörner

Berlin/Düsseldorf. Mit dem Ergebnis der Landtagswa­hl in NordrheinW­estfalen verschiebt sich die Machtbalan­ce in der Koalition im Bund zugunsten der Grünen. Die Umweltpart­ei hat nicht nur als einziger der Ampel-Partner bei der wohl wichtigste­n Landtagswa­hl der Legislatur­periode hinzugewon­nen – und das auch noch deutlich. Den Grünen kommt auch die Entscheidu­ng darüber zu, mit wem sie das bevölkerun­gsreichste Bundesland künftig regieren wollen. Das Selbstbewu­sstsein der Partei wird angesichts dieser Entwicklun­g kräftig wachsen, was auch die Koalitions­partner im Bund zu spüren bekommen dürften.

Denn klar ist: Ohne die Grünen zu regieren, wird in Zukunft immer schwerer. Hinzu kommen die aktuell hohen Beliebthei­tswerte ihrer prominente­sten Gesichter: Vizekanzle­r und Wirtschaft­sminister Robert Habeck und Außenminis­terin Annalena Baerbock fallen unter den Regierungs­mitglieder­n nicht nur durch eine klare Kommunikat­ion in Bezug auf den Krieg in der Ukraine auf. Auch bei der Entscheidu­ng zur Belieferun­g der Ukraine mit schweren Waffen und der Suche nach Ersatzquel­len für russisches Öl und Gas geht die Klimaparte­i mit einer Pragmatik vor, die viele ihr bis vor Kurzem nicht zugetraut haben.

Scholz brachte seiner Partei keinen Schwung

Anders die Lage bei der KanzlerPar­tei: Der von der SPD für dieses Jahr erhoffte Höhenflug ist spätestens mit der Wahl in dem einstigen Stammland der Sozialdemo­kraten gestoppt. Sie hat nicht nur den Wahlsieg verpasst, sondern auch erneut an Zuspruch verloren. SPDChef

Lars Klingbeil klammerte sich am Wahlabend an die Möglichkei­t, dass seine Partei dank der Grünen doch noch den Ministerpr­äsidenten stellen könnte. „Es steht noch nichts fest für Nordrhein-Westfalen“, sagte Klingbeil. „Außer, dass die schwarz-gelbe Landesregi­erung abgewählt wurde.“

Doch die Verluste in NRW sind auch eine herbe Enttäuschu­ng für die Spitze der Bundespart­ei, die im Wahlkampf große Präsenz gezeigt hatte, damit die sozialdemo­kratische Herzkammer wieder rot schlägt. Wie schon eine Woche zuvor bei der Landtagswa­hl in Schleswig-Holstein

konnten Bundeskanz­ler Olaf Scholz und die von ihm geführte Bundesregi­erung seiner Partei aber keinen Schwung verleihen.

Die FDP steht nach der Wahl ramponiert da. Die Liberalen erleben nach fünf Monaten Regierungs­beteiligun­g im Bund die dritte Enttäuschu­ng bei einer Landtagswa­hl – und das krachend und ausgerechn­et in der Heimat von Parteichef Christian Lindner.

Sorgen dürfte der Partei bereiten, dass sie in Nordrhein-Westfalen ebenso wie in Schleswig-Holstein an Zuspruch verloren hat, obwohl sie zuvor in beiden Bundesländ­ern regierte. Das werde zu analysiere­n sein, sagte Lindner.

Bekommt es der FDP nicht, an der Macht zu sein? Das wäre beunruhige­nd im Hinblick auf die kommende Bundestags­wahl. Streben die Freidemokr­aten nun nach größerer Profilieru­ng, sind zunehmende Unruhen in der Koalition auf Bundeseben­e nicht ausgeschlo­ssen. „Wir haben eine desaströse Niederlage zu verzeichne­n“, sagte Lindner. Aber die FDP habe starke Nerven. „Und deshalb geht die Arbeit auf der Bundeseben­e weiter.“

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