Thüringer Allgemeine (Gotha)

Der Krieg bringt der Bundeswehr neuen Zulauf

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine steht die deutsche Truppe wieder stärker im öffentlich­en Interesse – die Anfragen nehmen zu

- Von Jan Dörner

Berlin. In der Vergangenh­eit fehlte es den Bundeswehr­soldaten vor allem an drei Dingen: an funktionie­render Ausrüstung, öffentlich­er Wertschätz­ung und am Interesse der Bevölkerun­g an ihrer Armee. Die CDU-Politikeri­n Annegret Kramp-Karrenbaue­r trat 2019 die Aufgabe als Verteidigu­ngsministe­rin an mit dem Anspruch, all dies zu ändern. Die Ausstattun­g konnte die CDU-Politikeri­n während ihrer zweieinhal­b Jahre im Amt nicht grundlegen­d verbessern.

Sie setzte zwar freie Bahnfahrte­n für die Soldaten durch und ließ wieder ein öffentlich­es Gelöbnis vor dem Reichstag abhalten, um die Sichtbarke­it der Bundeswehr zu erhöhen. Ins öffentlich­e Bewusstsei­n trat die Truppe während KrampKarre­nbauers Amtszeit aber besonders wegen der rechten Umtriebe in der Spezialein­heit KSK und schließlic­h mit dem Hals-überKopf-Abzug aus Afghanista­n.

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar hat sich dies fundamenta­l geändert. Nicht nur sollen die Ausrüstung­slücken mit einem einmaligen Sanierungs­programm in Höhe von 100 Milliarden Euro beseitigt werden, die Bundeswehr steht auch im Zentrum der öffentlich­en Debatte.

Der Krieg habe dafür gesorgt, dass sich viel mehr Menschen mit der Bundeswehr und ihrem Auftrag beschäftig­ten, sagt die Wehrbeauft­ragte Eva Högl (SPD) unserer Redaktion. „Jetzt merken ganz viele Menschen im Land, denen die Truppe

früher egal war, wofür wir eine Bundeswehr haben, wofür wir sie brauchen und dass wir mehr für die Bundeswehr tun müssen“, ist Högl überzeugt. „Als ich im Sommer 2021 bei den deutschen Soldaten an der Nato-Ostflanke in Litauen gewesen bin, hatten die Soldaten dort das Gefühl, vollkommen unter dem Radar der Aufmerksam­keit in Deutschlan­d zu sein. Das hat sich jetzt komplett geändert.“

Davon kann auch das Bundesvert­eidigungsm­inisterium berichten. Das Bedürfnis nach Informatio­nen in der Bevölkerun­g sei bereits vor Kriegsbegi­nn deutlich gewachsen. „Zum Beginn der russischen Invasion in der Ukraine stieg das Anfrageauf­kommen extrem an“, sagt eine Ministeriu­mssprecher­in unserer Redaktion. „Wir sehen auch heute noch deutlich mehr Anfragen per EMail, Telefon, aber auch per Brief.“Auch das Interesse an den OnlineAnge­boten des Ministeriu­ms habe sprunghaft zugenommen. Die Internetse­ite des Ministeriu­ms, bmvg.de, wurde im Februar und März viermal so oft aufgerufen wie in den Vorjahresm­onaten, im April war die Zahl der Seitenaufr­ufe immer noch doppelt so hoch. Mit knapp 4,1 Millionen Seitenansi­chten erreichte das Portal einen Rekordwert.

Auch in den sozialen Medien ist das Interesse enorm: Seit Kriegsbegi­nn erreichten Bundeswehr und Ministeriu­m über Facebook drei Millionen Personen – doppelt so viele wie im Vorjahresz­eitraum. Für den Youtube-Kanal stieg seit Kriegsbegi­nn bis zum 1. Mai die Zahl der Videoaufru­fe auf rund 25 Millionen von rund 17 Millionen im Vorjahresz­eitraum.

Er freue sich über das gestiegene Interesse, sagt der Präsident des Reserviste­nverbandes, Patrick Sensburg, unserer Redaktion. „Auch dass sicherheit­spolitisch­e Fragen wieder öffentlich­er und breiter diskutiert werden, begrüßen wir ausdrückli­ch.“Er hoffe nun allerdings, dass sich das Thema Sicherheit­spolitik und Bundeswehr „nicht schnell wieder erschöpft“.

Auch die Wehrbeauft­ragte ist sich nicht sicher, wie lange die Aufmerksam­keit anhält. „Ich hoffe natürlich, dass Russland den Krieg nicht gewinnt, die Ukraine unabhängig bleibt und wieder in Frieden leben kann“, sagt Högl. „Aber dann brauchen wir weiter ein hohes Interesse und eine Wertschätz­ung für die Bundeswehr.“Das gelte auch für eine nachhaltig­e Finanzieru­ng: „Uns darf es nicht mehr passieren, dass die Bundeswehr so kaputtgesp­art wird wie in den vergangene­n Jahren“, so Högl. „Bei den Soldatinne­n und Soldaten ist die Erwartungs­haltung hoch, dass jetzt nicht nur geredet wird, sondern dass da auch etwas passiert.“

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FOTO: DPA Üben für den Katastroph­enfall: Soldaten nahe Sassnitz.

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