Thüringer Allgemeine (Gotha)

Liebe Grüße an Olga

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Der Anruf kam im April 2014 aus Perm, einer Stadt vorm Ural. „Kommen Sie schnell! Ihr Sohn hatte einen Unfall.“Mit Hilfe des Goethe-Instituts bekamen wir innerhalb von Stunden ein Visum nach Sibirien, und einen Tag nach der OP saßen wir am Krankenbet­t. J. brachte kein Wort heraus, er war vollgepump­t mit Medikament­en. Man sagte uns, wer ihm das Leben gerettet hatte: Dr. Olga P., eine 33-jährige russische Chirurgin.

Das Unglück war in der Aula vor knapp 500 Schülerinn­en und Schülern passiert. J. hatte mit seiner finnischen Pianistin ein musikalisc­hes Fest der deutschen Sprache arrangiert, die Deutsch lernenden Kinder sangen mit Begeisteru­ng im Chor. Ja, deutsch-russische Begegnunge­n waren vor acht Jahren völlig normal!

Als die Schwere der Verletzung offenbar wurde, bestand die Schulleite­rin darauf, dass niemand anders als Olga den Noteingrif­f vornahm, und brachte, weil es kein Essen gab, frische Hühnersupp­e aus der Schulküche. Wir schlossen die Augen vor dem Zustand der Klinik. Wir freuten uns, als die Krankensch­wester einen Kühlschran­k aufstellte. Dann brachte der Oberarzt seine Kaffeemasc­hine und ein pensionier­ter Kollege spielte mit J. Schach. Einmal kam die Chirurgin, die beim Schachturn­ier der Permer Klinikärzt­e den vierten Platz belegt hatte. Wir wollten uns bei ihr bedanken, doch sie nahm keine Geschenke an. Also luden wir sie zum Essen ein…

Liebe Olga, ich weiß nicht, wo Sie jetzt sind, wie es Ihnen geht und was Sie von Putins „Spezialope­ration“halten. Aber wir danken Ihnen von Herzen. Wir haben in Ihrer Klinik viel Fürsorge und Liebe erfahren. Menschenli­ebe wird Hass, Krieg und Völkermord überdauern.

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