Sanfte Glut wallt im Blut
Opernsatire von Cimarosa bietet höchst unterhaltsamen Kunstgenuss
Großkochberg. Goethe hätte es gewiss gefallen. Täuschend authentisch geriet die Premiere von Domenico Cimarosas Buffo-Oper „Die Theatralischen Abentheuer oder Der Theaterdirektor in Nöthen“am Samstag im Liebhabertheater Schloss Kochberg. Die bewusst historisierende Aufführungspraxis umfasste die mit Schwung und Impetus aufspielende Lautten Compagney Berlin unter Wolfgang Katschner, eine meisterhaft zeittypische Inszenierung von Nils Niemann und die fantasievoll originalgetreue Kostümierung durch Jan Hoffmann.
Einzig das enthusiasmierte Publikum, bei schönstem Frühlingswetter natürlich nicht im Stile von Bertuchs „Journal des Luxus und der Moden“der 1790er Jahre gekleidet, durfte diese nahezu perfekte Illusion der Goethe-Zeit stören und mit köstlicher Schadenfreude Theaterdirektor Lorenzo im Intrigennetz von Primadonnen, Maestro und Theaterdichter scheitern sehen. Zwischen den marmorierten Säulen des original erhaltenen Privattheaters begeisterte die „kriminalistisch“
rekonstruierte und von Babette Hesse neu ins Deutsche übersetzte Opernsatire Cimarosas mit Wortwitz, furioser Spiellaune und einem hochkarätigen Gesangsensemble.
In Anlehnung an Johann Wolfgang von Goethes verschollene Singspielfassung traten spritzige Dialoge an die Stelle steifer Rezitative. Auch die zu Lebzeiten des Mozart-Zeitgenossen Cimarosa übliche Ergänzung um Arien anderer Komponisten gelang dem Recherche-Team um Wolfgang Katschner und Silke Gablenz-Kolakovic mit spitzfindiger Raffinesse.
So sang Cornelius Uhle als Dichter Orlando die von Vicente Martín y Soler entliehene Arie „Sanfte Glut wallt im Blut“mit charaktervollem Bariton. Orlando war der Primadonna Doralba verfallen, die ihn mit einem „Herz hart wie Erz“aber zunächst zurückwies.
Stimmlich bis in höchste Lagen überragend, schlüpfte Sopranistin Alessia Schumacher in eine Doppelrolle als Doralba und Fiordispina. Mit mimisch und gestisch von Regisseur Niemann ausgefeiltem Spiel verlangte sie einen Vorschuss von Theaterdirektor Lorenzo, den sie sich mit handgreiflicher Hilfe ihres Beschützers Strabinio (Christoph Kurzweil) denn auch zu sichern verstand.
Der Direktor in blumigem Gehrock und Kniehosen, überzeugend volltönend verkörpert von Bassbariton Simon Robinson, war jedoch pleite und verzweifelt angesichts zerstrittener Primadonnen und des kapriziösen Kapellmeisters Polidoro (mit kernigem Tenor: Christian Pohlers). Während Polidoro sich mit Primadonna Merlina – geschliffen gesungen von Johanna Knauth – verbündete, suchte Direktor Lorenzo in seiner Not den Rat seines Theaterdichters. „Manövrieren, fabulieren, ignorieren“seien notwendige Fähigkeiten eines Direktors, empfahl dieser süffisant in seiner Arie, die in eine auf Rossini vorausweisende, rasante Cabaletta mündete.
Zum Schluss misslang dem glücklosen Lorenzo sogar seine Flucht, worüber im finalen Sextett, einer „Leihgabe“vom sächsischen Komponisten Gestewitz, gar noch gespottet wurde: „Wir geloben hoch und heilig in der Verse Glorienschein, alle Herren Direktoren ihrem Untergang zu weih’n.“
Dieses bunte, selbstreferenzielle Theatertreiben auf der Miniaturbühne des Liebhabertheaters geriet zum höchst unterhaltsamen Kunstgenuss. Auf der Empore weit über den Federhüten der Primadonnen zeigten Lautenist Wolfgang Katschner und sein kleines Spezialensemble auf historischen Instrumenten, dass sich unter den mehr als 60 vergessenen Opern Cimarosas vielleicht noch mehr zu entdecken lohnt.
Nächste Aufführungen:
25. und 26. Juni, 30. und 31. Juli www.liebhabertheater.com