Meisterfeier mit Schatten
Baldiger Wechsel oder doch noch ein letztes Jahr bei Bayern München? Der Poker um Robert Lewandowski hält den Rekordmeister nach dem Saisonende in Atem
München. Robert Lewandowski trug standesgemäß eine bayerische Lederhose. Über das weiße Trachtenhemd hatte er ein rot-blaues Trikot gezogen. Mehr als 10.000 Fans auf dem Marienplatz jubelten dem Torjäger lautstark zu, als er am Sonntagnachmittag auf dem Rathausbalkon die silberne Meisterschale in den blauen Münchner Himmel stemmte. Zu den Klängen von „We are the Champions“feierte er anschließend mit den Kollegen um Zeremonienmeister Thomas Müller, während die Fans skandierten: „Lewa bleib!“
Doch es lag ein dunkler Schatten über dem Empfang bei Oberbürgermeister Dieter Reiter im großen Sitzungssaal und der anschließenden Party auf dem berühmten Balkon. Es könnte die Abschiedsvorstellung von Lewandowski beim FC Bayern gewesen sein. Der 33-Jährige, der schon am Samstagabend beim feucht-fröhlichen Fanfest am Nockherberg im Mittelpunkt stand, will den Rekordmeister nach acht Jahren bereits im Sommer verlassen – trotz eines laufenden Vertrags bis zum 30. Juni 2023.
Vorstandsboss Oliver Kahn spricht ein Machtwort
Die Bayern sind längst genervt von dem Theater. Vorstandsboss Oliver Kahn sprach deshalb am Sonntag ein Machtwort. „Er hat einen Vertrag bis 2023. Diesen Vertrag wird er erfüllen. Basta!“sagte Kahn dem Bayerischen Fernsehen. Es gebe „keinen Spieler, der größer ist als dieser Verein“. Alle Gremien beim FC Bayern gingen deshalb davon aus, „dass er bleibt“, ergänzte Ehrenpräsident Uli Hoeneß.
Der FC Barcelona lockt Lewandowski mit einem Dreijahreskontrakt. „Gut möglich, dass es mein letztes Spiel für den FC Bayern war. Wir wollen die beste Lösung für mich und den Verein finden“, sagte der Pole bei Viaplay Sport Polska. Und überhaupt, ergänzte er bei Sky, habe es von den Bayern noch kein Angebot gegeben. Kein Angebot? Kahn, Präsident Herbert Hainer und Sportvorstand Hasan Salihamidzic widersprachen vehement. Lewandowski habe das Angebot „abgelehnt. Das ist sein gutes Recht. Das bereitet uns kein Kopfzerbrechen“, sagte Kahn. So oder so: Das Pokerspiel ist längst eröffnet.
Schon vor dem 2:2 (2:1) der Bayern beim VfL Wolfsburg hatte Salihamidzic, der am Nockherberg von den eigenen Anhängern ausgepfiffen wurde, Lewandowskis Wechselwillen bestätigt. Ein Entgegenkommen am Verhandlungstisch stellte er ebenso wenig wie Kahn in Aussicht: „Unsere Haltung dazu ist klar.“Auch Hainer pochte am Sonntag bei Sport1 erneut energisch auf Vertragserfüllung.
Trainer Julian Nagelsmann geht ebenfalls von einem Verbleib seines Stars aus. Aber natürlich komme „irgendwann der Tag X. Wir haben Planungen im Kopf“.
Spekulationen über mögliche Nachfolger gibt es bereits zur Genüge. Genannt wurden Christopher Nkunku (Leipzig), Patrik Schick (Leverkusen), Sebastien Haller (Amsterdam), Romelu Lukaku (Chelsea) oder neuerdings Sasa Kalajdzic vom VfB Stuttgart.
Lewandowski wiederum zieht es nach Spanien. Neu ist die aktuelle Situation für den Torgaranten, dem binnen acht Jahren für den Serienchampion in 374 Spielen bemerkenswerte 344 Treffer gelangen, durchaus nicht. 2013 wollten die Bayern Lewandowski aus seinem Vertrag bei Borussia Dortmund herauskaufen. Seinerzeit blieb der BVB hart und ließ „Lewa“erst zum Vertragsende ein Jahr später ablösefrei ziehen. Dies könnte sich nun in München wiederholen. sid