Gereifter Entschluss
Die Parallelen sind vielfältig: Beide konnten zahlreiche Erfolge feiern, beide sind abseits der Arenen große Persönlichkeiten, beide beginnen mit dem Namen L, beide vereinen in diesem sechs Buchstaben, beide haben als leidenschaftliche Thüringer mit ihrem Schritt die WM-Verantwortlichen in Oberhof durchaus geschockt.
Nach Biathlet Erik Lesser hat auch Rennrodler Johannes Ludwig seine beeindruckende Karriere beendet. Ein Ergebnis von langen und reiflichen Überlegungen, keinesfalls eine Kurzschlussreaktion.
Leistungssportlern fällt es oft schwer, den richtigen Zeitpunkt für das Ende der Laufbahn zu finden. Nicht wenige verpassen den Moment – sie hören zu spät auf, wollen trotz überschrittenen Zenits noch Ruhm genießen und Geld verdienen.
Für Johannes Ludwig trifft das auf keinen Fall zu. Im Gegenteil.
Bei seinem Entschluss hat man eher das Gefühl, dass er zu früh so getroffen ist. Weil er erst im Winter mit zwei Mal Gold bei Olympia bewiesen hat, dass er der beste Rennrodler der Welt ist, und in wenigen Monaten die Weltmeisterschaft auf seiner Heimbahn in Oberhof stattfindet. Als Einheimischer würde er schon im Vorfeld gefeiert werden.
Und doch wäre es unpassend, sich von außen anzumaßen, die Entscheidung zu kritisieren. Denn diese verdeutlicht zugleich, wie entbehrungsreich die letzten Jahre gewesen sein müssen, wie schwer – körperlich und mental – zugleich eine nochmalige intensive Vorbereitung auf einen sportlichen Höhepunkt fallen würde.
Die Organisatoren der Weltmeisterschaften 2023 in Oberhof werden gut beraten sein, Johannes Ludwig und Erik Lesser trotz ihres sportlichen Abschieds intensiv als Thüringer Botschafter in die Titelkämpfe mit einzubeziehen.
Das wäre wieder eine Parallele.