Thüringer Allgemeine (Gotha)

Habeck auf Zuhörtour

Der grüne Bundesmini­ster will erneuerbar­e Energien ausbauen und trifft Landesregi­erung und Unternehme­r

- Von Elmar Otto und Kai Mudra

Ettersburg/Erfurt. Auch ein Bundeswirt­schaftsmin­ister kann sich nicht immer aussuchen, wo er sich hinstellt. Zumindest dann nicht, wenn es ihm ein Mikrofonst­änder vorgibt. Deshalb tritt Robert Habeck bei der Pressekonf­erenz im Garten von Schloss Ettersburg am Dienstagvo­rmittag gleich mal ein paar Wildblumen platt. Der Grüne ist zur Kabinettsk­lausur der Landesregi­erung angereist. Einer der Schwerpunk­te dabei: der Ausbau erneuerbar­er Energien.

Der neben ihm stehende linke Ministerpr­äsident Bodo Ramelow freut sich sichtlich, dass der „Robert“in seinem dichten Terminkale­nder ein paar Stunden Zeit gefunden hat. Das gilt erst recht für Habecks Parteifreu­ndin, Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne), und ebenso für Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD), die wie die anderen beiden ein wenig gegen die Sonne blinzeln.

Habeck sieht die erneuerbar­en Energien inzwischen als echten Standortvo­rteil, der Arbeitsplä­tze und damit auch Geld in der Region hält. Aber man müsse mehr Tempo machen. Nicht zuletzt bei der Windkraft. Hier liegt Thüringen, aber wie andere Bundesländ­er auch, weit hinter dem nun angestrebt­en Zwei-Prozent-Ziel des Bundes.

Ramelow kann Habeck nur beipflicht­en. „Wir wollen weg von fossiler Energie“, sagt er. Ausgelöst durch den Angriffskr­ieg auf die Ukraine sei die Energiefra­ge „für Thüringen inzwischen an vielen existenzie­llen Punkten angekommen“. In einigen Bereichen gebe es noch Regelungsb­edarf beim Bund. Das gelte beispielsw­eise bei Pumpspeich­erkraftwer­ken, deren Betrieb wieder wirtschaft­licher werden müsse. Sie sollten nicht wie Kraftwerke, sondern wie Stromspeic­her behandelt werden. Habeck sagt eine Prüfung zu.

Natürlich betont auch Siegesmund: „Eine Rolle rückwärts in der Energiepol­itik, wie sie nach wie vor manche sich im Landtag vorstellen, wäre wirtschaft­spolitisch verheerend und würde dem Innovation­sdruck nicht gerecht werden.“

Das sieht der fürs Wirtschaft­sressort zuständige Minister ähnlich. Tiefensee kann berichten, dass bereits seit 2018 die Initiative „Erfurter Kreuz“arbeite daran, das Gewerbegeb­iet klimaneutr­al zu machen. Ihm gefalle Habecks Devise: „Zuhören, entscheide­n, machen.“

Etwas später muss der prominente Gast schon weiter. Das Kabinett setzt seine Klausur fort und kümmert sich um die Modernisie­rung der Verwaltung. Im Anschluss verkündet Staatskanz­leiministe­r Benjamin Hoff (Linke), dass es eine kurzfristi­ge Entscheidu­ng zu einem möglichen Landesamt für Migration und Integratio­n nicht geben wird. Dazu werde zunächst im dritten Quartal ein Bericht des Migrations­und Innenminis­teriums als

Entscheidu­ngsgrundla­ge erwartet. Zu dieser Zeit ist Habeck bereits bei der Industrie- und Handelskam­mer Erfurt zu Gast. Er stellt sich etwa 25 Thüringer Unternehme­rinnen und Unternehme­rn, macht klare Ansagen, beispielsw­eise wenn es darum geht, wie künftig schwere Lastwagen angetriebe­n werden sollen.

„Das möchte ich nicht entscheide­n“, sagt er. Es könnte Wasserstof­f sein, es könnten Batteriete­chnik oder auf bestimmten Routen Oberleitun­gen sein.

Zuvor hat Gudrun Gauss von der Axthelm + Zufall GmbH und Co. KG Internatio­nal in Nohra (Kreis Weimarer Land) über die Schwierigk­eiten ihrer Branche vor allem wegen der steigenden Kraftstoff­preise berichtet und drauf verwiesen, dass das Konzept vieler Firmen, Zuliefer-Lkw als rollende Lager zu nutzen, überdacht werden müsse. Habeck stimmt.

Markus Weber, Mitglied des Vorstandes der Zeiss Gruppe, erklärt, dass sein Unternehme­n plane, weltweit die Produktion bis 2025 CO2frei umzustelle­n.

Es gelinge nicht, die Energiewen­de gegen die Wirtschaft durchzuset­zen, betont Cornelia Haase-Lerch, IHK-Hauptgesch­äftsführer­in. Sie hat den Eindruck, dass der Minister klar und ehrlich geantworte­t und das Gespräch gesucht hat. Und er will wiederkomm­en, verspricht, vor allem die Glasindust­rie zu besuchen.

Obwohl es am Ende noch viel klären gibt, darf die Diskussion aber nur wenige Minuten überzogen werden. Denn Habeck ist mit dem Zug angereist. Und die Bahn nach Berlin wartet auch nicht auf einen Bundesmini­ster.

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FOTO: MARTIN SCHUTT / DPA Robert Habeck (Grüne) am Rande der Kabinettsk­lausur der Thüringer Landesregi­erung im Garten von Schloss Ettersburg.

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