Beschäftigte als Mitunternehmer
Wie Smart Commerce in Jena mit einer besonderen Firmenphilosophie stetig wächst
Jena. „Rückwirkend hat es besser geklappt als erwartet“, sagt Ludger Vogt (61). Der ehemalige IntershopVorstand hatte vor zehn Jahren in Jena eine eigene Aktiengesellschaft ins Leben gerufen: Smart Commerce. Mit einem innovativen Konzept wollte er die Mitarbeiter zu Mitunternehmern machen und für große Kunden Onlineshops bauen.
Reichlich Erfahrung hatte der promovierte Informatiker in 13 Jahren bei Intershop gesammelt. Er kannte das Unternehmen als Börsenstar, als Geld keine Rolle spielte und man am liebsten „First Class“fliegen sollte. Er war dabei, als der Vorstand merkte, dass trotz des innovativen Produktes kaum Aufträge reinkamen, die Kurse abstürzten. Sparrunde auf Sparrunde folgte.
Von 2008 bis 2012 gehörte er dem Vorstand an, trimmte das Jenaer Unternehmen stark auf Service und Beratung, um die Softwareentwicklung quer zu finanzieren. Intershop schrieb schwarze Zahlen, doch der damalige Aufsichtsrat wähnte eine höhere Marge im Lizenzgeschäft, so dass sich die Wege trennten.
Exzellenz und Mitarbeiter-Teilhabe waren Vogt bei der eigenen Gründung wichtig. Er wählte die Rechtsform der europäischen Aktiengesellschaft, um Beschäftigte leicht zu Mitunternehmern machen zu können. Sie entscheiden nicht nur bei der Hauptversammlung mit, sondern stellen auch einen Vertreter im Aufsichtsrat, was nur in größeren Unternehmen Pflicht ist.
Felix Geyer (26) war die vergangenen beiden Jahre von den Mitarbeitern vorgeschlagener Aufsichtsrat und hofft auf eine Wiederwahl bei der Hauptversammlung am Mittwoch. „Dass Mitarbeiter so viel Einfluss nehmen können, kenne ich von keinem anderen Unternehmen. Das motiviert ungemein“, sagt Geyer. So habe man gemeinsam durchsetzen können, dass Reisezeiten komplett als Arbeitszeit angerechnet werden. Das Jenaer Team entschied mit, dass Smart Commerce wie Intershop aus dem Jentower ins neue Gebäude am Steinweg zieht.
Intershop ist noch immer ein wichtiger Technologiepartner für Smart Commerce, das Onlineshops vorwiegend für Geschäftskunden baut. Das Unternehmen hat 75 feste Beschäftigte und 24 freie Mitarbeiter. Sie erwirtschafteten 2021 einen Jahresumsatz von 9,6 Millionen Euro. Besonders stolz ist Vogt darauf, dass in den zehn Jahren stets ein positives Ergebnis vor Zinsen und Steuern gelang.
Als Kunden stehen unter anderem Porsche, der Baur Versand oder Mister Spex auf der Liste, aber auch mit den Fischerwerken ein bekannter Dübelhersteller. Dieser gehört zu den größten Auftraggebern und durfte deshalb als bislang erster externer Investor Anteile erwerben. „Wir arbeiten aus Jena und aus Leipzig für Kunden, die in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg
sitzen“, sagt Vogt, der Jena als „heimliche Hauptstadt des ECommerce“bezeichnet. Die Dichte an Agenturen und Softwarefirmen gebe es nirgendwo anders, was auch den Austausch beflügle.
Vogt plant weiteres Wachstum, die Umsatzmarke von zehn Millionen Euro will Smart Commerce in diesem Jahr knacken. Begrenzender Faktor sei das Personal. Leitende
Softwareentwickler zu finden, gestalte sich schwierig. Vom Weg, über die Maßen Anfänger einzustellen, sei man wieder abgekommen.
„Es ist besser, den Anspruch der Elite zu halten und im Zweifel lieber nicht alle Aufträge anzunehmen“, sagt Vogt, der auf ein ausgeklügeltes System zur Mitarbeiterentwicklung verweist. So sammeln die Beschäftigten mit allen Projekten oder Seminaren Erfahrungspunkte. Wer eine gewisse Punktzahl erreicht hat, wird befördert.
Anteil am Erfolg hat die Belegschaft durch die Dividende. Dieses Jahr gibt es 50 Cent je Aktie. Noch höher sind mögliche Erlöse aus den Anteilsscheinen. Wer von 2012 an die nicht an der Börse gehandelten Aktien hält, hat seinen Einsatz inzwischen versechzehnfacht – weiteres Wachstum ist geplant.
„Mitbestimmung und Qualität sind maßgebliche Punkte unserer Firmenphilosophie.“Ludger Vogt, Vorstandschef der Smart Commerce SE