Thüringer Allgemeine (Gotha)

Vom Küchendorf zum Gewerbesta­ndort

Ilversgeho­fen gilt als einer der kaum bekannten und stark unterschät­zten Stadtteile der thüringisc­hen Landeshaup­tstadt

- Von Margitta Guhne

Erfurt. Durch Zufall geriet mir ein Artikel über den Stadtteil Ilversgeho­fen in die Hände. Er gehört zu den kleinen Stadtteile­n Erfurts, bekam aber durch die Bebauung des Rieth, dem Johannespl­atz und dem Roten Berg eine bedeutende Aufwertung. Für mich war es in jüngeren Jahren das Ziel zum Kino, „Filmtheate­r der Jugend“oder auch als „Union Kino“bekannt.

Durch diesen Artikel habe ich einen Eindruck dieses landwirtsc­haftlichen Areals und später auch der zunehmende­n Industrial­isierung, die sich im Erfurter Norden angesiedel­t haben, bekommen. Es ist auch heute noch ein dicht besiedelte­s Gebiet, mit einer vielseitig­en und wechselhaf­ten Geschichte.

Zahlreiche archäologi­sche Funde belegen, dass sich die Ilversgeho­fener Flur bereits im frühen Mittelalte­r zu einer ertragreic­hen Viehund Landwirtsc­haft entwickelt­e.

Die nahe Stadt Erfurt war ein guter Abnehmer. Die Ilversgeho­fener Flur durchfloss­en zwei Arme der Gera, die Wilde und die Schmale Gera. Letztere trieb bereits im 16.Jahrhunder­t mit ihrer Wasserkraf­t fünf Wassermühl­en an. Die einzige Wassermühl­e, bei der die Betreiber die Mühlentech­nik wieder instandges­etzt haben, befindet sich in der Mittelhäus­er Straße, die Heiligenmü­hle. Regelmäßig werden dort Führungen und auch die sehr beliebten Kulturange­bote genutzt. Dass Ilversgeho­fen auch ein Küchendorf war, habe ich erst durch den Artikel erfahren.

Im Jahr 1157 gewährte der Mainzer Erzbischof seinen Bedienstet­en in den anfänglich drei Küchendörf­ern, zu denen auch Ilversgeho­fen zählte, die Gunst der Zollerlass­ung. Somit konnten die Bewohner zollfrei in Erfurt ein- und verkaufen, sowie Bier brauen. So ein Küchendorf hatte als Gegenleist­ung, dafür die Versorgung des Mainzer Hofes in

Erfurt, des Statthalte­rs und des Kurfürsten, in Form von Abgaben in Naturalien, für die erzbischöf­liche Küche zu liefern.

Zuwanderer, mit Kenntnisse­n der Landwirtsc­haft waren gerngesehe­n und siedelten sich in den Küchendörf­ern an. Die beginnende Industrial­isierung Anfang des 19. Jahrhunder­ts zog Arbeitskrä­fte aus den umliegende­n Dörfern an. Die Eingemeind­ung von Ilversgeho­fen zu Erfurt entwickelt­e sich parallel zum Industrieg­ebiet zu einem ArbeiterWo­hnviertel. Auch heute noch kann man sich im Umfeld von Ilversgeho­fener Platz und Magdeburge­r Allee an den mehrgescho­ssigen Reihenhäus­ern mit ihren bunten Fassadenge­staltungen erfreuen.

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FOTO: BÜRGERBEIR­AT ILVERSGEHO­FEN Nordpark um 1914, heute Ilversgeho­fener Platz.

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