Vom Schlitten aufs Boot
Rodel-Olympiasieger Johannes Ludwig beendet Karriere für Familie und Beruf
Walsrode. Der Reiz 2023 vielleicht Weltmeister in seiner alten Heimat Oberhof zu werden, war nicht mehr groß genug. Obwohl ihm dieser Einzel-Titel in seiner sportlichen Vita noch fehlt. Thüringens RodelOlympiasieger Johannes Ludwig hat sich drei Monate nach seinem größten Erfolg in Peking für das Ende seiner Karriere entschieden.
Seine Entscheidung verkündete Ludwig am Montagabend nach der Geburtstagsfeier seines nun acht Jahre alten Sohnes Carlson. Es sei ein Geschenk für die Familie gewesen, so Ludwig. „Ich freue mich auf den Sommer und die Zeit mit meinen Kindern, die so lange auf mich verzichten mussten“, sagte der 36Jährige, der sich nun auf schöne Tage mit Carlson, Tochter Winnie (6) und seiner Frau Katharina freut.
Mit der Familie wohnt Ludwig in Walsrode bei Hannover. Vier Stunden von Oberhof entfernt. Der Bundespolizist hatte den weiten Weg in der Vorbereitung auf Olympia noch einmal auf sich genommen. Mit Erfolg. Nach einer Fabelsaison und dem Gesamtweltcup-Sieg triumphierte Ludwig auch bei Olympia auf dem Eisdrachen von Yanqing im Einzel und mit dem Team.
Nun macht er Schluss – wie seine großen Thüringer Kollegen. Auch Bobpilotin Mariama Jamanka und Biathlet Erik Lesser hatten nach den Spielen in Peking zuletzt ihren Rücktritt erklärt. Nach all den Medaillen ist wohl einfach die Zeit loszulassen. Auch für Ludwig beginnt nun ein ganz neues Kapitel.
„Rennrodeln ist, seitdem ich sechs Jahre alt war, der grundlegende Inhalt meines Lebens. In den zurückliegenden 30 Jahren war nahezu jeder Tag vom Kufensport bestimmt und verlangte von mir, aber auch meinem familiären Umfeld, große Entbehrungen ab“, beschrieb Ludwig seinen Zwiespalt zwischen Leistungssport und Privatem.
Der Thüringer fuhr dabei lange dem großen Erfolg hinterher. 2006 stieg er mit 20 Jahren in den Weltcup ein. Doch bis zum endgültigen Durchbruch dauerte es viele Jahre. Dennoch bewahrte der Oberhofer die Geduld. 2013 wurde Ludwig WM-Dritter in Whistler. Erst 2016 stand er dann in Winterberg zum ersten Mal auf dem Weltcuppodest ganz oben. Mit stolzen 30 Jahren. Neun weitere Weltcupsiege folgten. Thüringens Kufenpräsident Andreas
Minschke sagte in seiner Laudatio: „Jeden einzelnen Erfolg hat er sich hart erarbeitet und sich trotz des langen Weges bis zu den Titeln nicht entmutigen lassen.“Der bienenfleißige Ludwig arbeitete mit Trainer Jan Eichhorn und Mechaniker Robert Eschrich an sich und seinem schnellen Schlitten. Wegen seiner Armkraft und den Topzeiten am Start bekam er den Spitznamen „Dynamit-Hannes“. In Pyeongchang glückten Ludwig mit Bronze im Einzel und Gold im Team die ersten Olympia-Medaillen (2018). Vier Jahre später folgte nun die Krönung mit Doppel-Gold in Peking.
Silke Kraushaar-Pielach, Rodelolympiasiegerin 1998, erinnert sich. „Der Hansi war schon dabei, als ich 2008 meine Karriere beendete. Es ist immer schwer, aufzuhören. Doch sein Erfolg von Peking ist nicht mehr zu toppen und Leistungssport kannst du nicht ewig machen“, so die 51-Jährige, die ihren Olympiasieg mit 28 Lenzen feierte.
Künftig wird sich Ludwig nun seiner Karriere bei der Bundespolizei widmen. Er strebt nach dem höheren Dienst. Das Ausbildungszentrum ist gleich in der Nähe. Auch für das Wasser wird der begeisterte Segler endlich mehr Zeit auf dem Steinhuder Meer und an der Küste haben. Vom Schlitten aufs Boot – vielleicht ist das sogar eine Perspektive im Beruf als Polizist.
Davor wartet auf Ludwig aber noch die Heimbahn in Oberhof. Dort steigt vom 23. bis 29. Januar an den Fallbächen die Weltmeisterschaft. „Wenn er das ganze Training noch mal auf sich genommen hätte, gäbe es keine Garantie zu gewinnen. Bei einer Heim-WM ist der Druck hoch. Ich war damals wirklich froh, nach einem schweren Fehler am Start noch Bronze bei meinem Abschied gewonnen zu haben“, weiß Kraushaar-Pielach.
TSBV-Präsident Minschke versicherte: „Lüdi bleibt als Botschafter der Heim-WM 2023 in Oberhof ein Teil der Thüringer Kufensportfamilie“. Minschke kündigte schon mal einen tollen Abschied vor großer Fan-Kulisse für Ludwig an.
Um seine Nachfolger muss sich Ludwig nicht sorgen. „Ich habe keine Angst, vor einer Rücktrittswelle“, sagte Bundestrainer Norbert Loch. Sein Sohn Felix macht weiter. In Oberhof warten mit dem OlympiaSechsten Max Langenhan und Moritz Bollmann junge Männer, um die Rodel-Erfolge fortzusetzen.