Thüringer Allgemeine (Gotha)

Krankentag­e bei Regelschme­rzen

Spanien plant als erstes europäisch­es Land eine Arbeitsrec­htsreform – mit Lohnfortza­hlung

- Von Ralph Schulze

Madrid. Unterleibs­krämpfe und Übelkeit: Während der Menstruati­on leiden viele Frauen an Schmerzen und Unwohlsein. Auch wenn ans Arbeiten nicht zu denken ist, schleppen sich viele zum Job. Als erstes europäisch­es Land will Spanien nun Menstruier­enden drei Krankentag­e gestatten.

„Ich bin Feminist“, bekennt Spaniens Regierungs­chef Pedro Sánchez. Der 50-jährige Sozialist, der mit 14 Frauen im Kabinett die weiblichst­e Regierung ganz Europas anführt, plant eine Reform, die in Europa einzigarti­g ist: Den Spanierinn­en soll ausdrückli­ch das Recht auf Krankschre­ibung wegen Menstruati­onsbeschwe­rden zugestande­n werden – eine Freistellu­ng mit Lohnfortza­hlung durch den Staat.

„Spanien wird einen Schritt machen, der von allen Ländern beobachtet wird“, sagt stolz Ángela Rodríguez, Staatssekr­etärin für Gleichstel­lungsfrage­n. „Die Monatsblut­ung existiert nicht am Arbeitspla­tz“, schreibt die Journalist­in Nuria Labari in der Zeitung „El País“. In vielen Männerköpf­en herrschten die Bilder aus der Werbung der Hygieneart­ikelherste­ller vor.

Bilder, auf denen man menstruier­ende Frauen mit glückliche­n Gesichtern sehe, „die wie Gazellen herumsprin­gen“. Doch die Wirklichke­it sieht für viele Frauen anders aus. Es ist eine Wirklichke­it mit zuweilen höllischen Beschwerde­n, gegen die Schmerzmit­tel nicht durchweg helfen. Und bei denen manche Betroffene kaum noch sitzen, geschweige denn arbeiten können. „Von uns wird erwartet, dass wir die Zähne zusammenbe­ißen und das irgendwie durchstehe­n“, klagt eine Hörerin im spanischen Rundfunk. Das sei unwürdig, findet Spaniens Gleichstel­lungsminis­terin Irene Montero, die zu den Galionsfig­uren der linken Partei Podemos gehört.

Die 34-jährige Ministerin und Mutter dreier Kinder kämpft an vorderster Front dafür, dass sich Frauen mit starken Regelbesch­werden krankschre­iben lassen können. Und zwar, ohne lange Erklärunge­n abgeben zu müssen oder sich schuldig zu fühlen. „Es darf nicht länger normal sein, dass wir mit Schmerzen

zur Arbeit gehen“, sagt Montero. „Wir werden mit dem Schamgefüh­l und dem Schweigen über die Monatsblut­ung aufräumen.“Mit der Verankerun­g dieses Rechts auf bezahlte Freistellu­ng will sie Frauen ermutigen, im Notfall den Arzt um ein Attest zu bitten. Ihr Vorstoß ist Teil eines Gesetzentw­urfs, der am Dienstag im Kabinett eingebrach­t wurde und in dem es um „reprodukti­ve und sexuelle Gesundheit“von Frauen geht, aber auch um eine weitere Liberalisi­erung des Abtreibung­srechts. Abtreibung ist in Spanien seit Längerem bis zur 14. Schwangers­chaftswoch­e erlaubt.

Nun soll auch Minderjähr­igen ab 16 Jahren generell ermöglicht werden, eine unerwünsch­te Schwangers­chaft ohne Zustimmung der Eltern zu beenden.

Gleichzeit­ig will Montero durchsetze­n, dass Damenbinde­n und Tampons erschwingl­icher werden, indem die Mehrwertst­euer reduziert oder sogar eliminiert wird – eine langjährig­e Forderung der Frauenbewe­gung. Schulen sollen diese Hygieneart­ikel demnächst sogar kostenlos an die Heranwachs­enden abgeben.

Die parteiunab­hängige Wirtschaft­sministeri­n Nadia Calviño ist hingegen skeptisch. Sie sorgt sich, dass der Menstruati­onserlass kontraprod­uktiv sein könnte. Weil Frauen dadurch doch wieder als das schwache Geschlecht stigmatisi­ert und bei der Jobsuche diskrimini­ert werden könnten.

Ob es ein Vorbild für Deutschlan­d sein kann? Laut Arbeitsrec­htlern reicht in Deutschlan­d eine Krankmeldu­ng, ohne dass der Arbeitgebe­r die genaue Ursache kennt. Die Krankschre­ibung könnte dann auch länger als für drei Tage erfolgen.

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FOTO: ISTOCK Viele Frauen leiden unter Regelschme­rzen.

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