Thüringer Allgemeine (Gotha)

Dilettanti­scher Umgang mit einem Bombenfund

Diskussion­srunde am Theaterhau­s Jena zeigt, dass immer noch viele Fragen zum NSU-Komplex unbeantwor­tet sind

- Von Kai Mudra

Jena. Am 2. September 1997 finden spielende Kinder einen rot lackierten Koffer mit zwei Hakenkreuz­en vor dem Theaterhau­s Jena. Anfangs wird der ominöse Koffer für eine Requisite gehalten und im Theater abgestellt. Erst am darauffolg­enden Tag erregt das Fundstück Verdacht, wird die Polizei alarmiert.

Auch die herbeigeei­lten Beamten schenken dem möglichen Sprengsatz nicht die gebührende Aufmerksam­keit. Erst das Eingreifen von LKA-Sprengstof­fspezialis­ten führt zum sachgerech­ten Sichern des brisanten Funds.

Mario Melzer, damals einer der Ermittler in der Sache, schildert die

Vorgänge vor knapp 25 Jahren in eben jenem Theaterhau­s. „Versagen oder Absicht?“steht als Frage im Raum. Landtagsvi­zepräsiden­tin Dorothea Marx (SPD), sie leitete zwei NSU-Untersuchu­ngsausschü­sse, der frühere Jenaer Lokaljourn­alist Frank Döbert und Mario Melzer, heute an der Fachhochsc­hule der Polizei in Meiningen tätig, suchen nach Antworten.

Das Publikum wirkt bei der einen oder anderen Schilderun­g entsetzt über die begangenen Fehler bei den NSU-Ermittlung­en.

Waren das alles wirklich nur Fehler und Zufälle, oder steckt mehr hinter dem jahrzehnte­langen Versagen der Sicherheit­sbehörden? Diese Frage konnte die Diskussion­srunde

nicht klar beantworte­n. Allein der Umgang mit der Bombenattr­appe zeige, wie dilettanti­sch vorgegange­n worden sei, hieß es. Zwei der drei späteren NSU-Terroriste­n gelten bei den Bombenermi­ttlungen als Verdächtig­e.

Zehn Morde, drei Sprengstof­fanschläge und 15 Raubüberfä­lle kann das rechtsextr­eme NSU-Trio später zwischen 1999 und 2011 bundesweit begehen, ohne dass es entdeckt wird. Das Gros der Helfer der Rechtsterr­oristen ist ungeschore­n davongekom­men, betont Dorothea Marx. Keinen Schlussstr­ich bei der Aufarbeitu­ng zuzulassen sei auch ein Verdienst des Theaterhau­ses, das mit seinen Veranstalt­ungen immer wieder dazu betrage.

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FOTO: THORSTEN BÜKER Das Theaterhau­s Jena im Februar 2020: Im September 1997 hatten Kinder auf dem Vorplatz eine Bombenattr­appe entdeckt.

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