Thüringer Allgemeine (Gotha)

Für 9 Euro im Monat unterwegs

In Thüringen soll der Verkauf des Nahverkehr-Tickets nächste Woche starten

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Berlin/Erfurt. So billig war Öffentlich­er Personenna­hverkehr (ÖPNV) in Deutschlan­d wohl noch nie: Mit 9-Euro-Monatstick­ets sollen Millionen Menschen im Juni, Juli und August bundesweit in Bus und Bahn steigen können. Dadurch will die Bundesregi­erung auch Nicht-Autofahrer von den hohen Energiekos­ten entlasten. Noch muss aber der Bundesrat an diesem Freitag der Finanzieru­ng zustimmen. Hier Antworten auf die wichtigste­n Fragen zum 9-Euro-Ticket:

Ab wann soll das Ticket gelten? Das Ticket soll ab dem 1. Juni gelten – und dann jeweils im Juni, Juli und August für den Kalendermo­nat. Nicht möglich sind also gleitende Vier-Wochen-Zeiträume, etwa von Mitte Juli bis Mitte August. Fahren können die Inhaber damit bundesweit in allen Bussen, Straßenbah­nen, U-Bahnen, S-Bahnen und Zügen des Nah- und Regionalve­rkehrs – egal ob von der Deutschen Bahn oder anderen Anbietern. Der Preis von 9 Euro gilt pro Monat. Nicht genutzt werden kann der Fernverkeh­r mit ICE, Intercity und Eurocity, den grünen Flixzügen und Fernbussen. Außerdem gilt das Ticket nur für die 2. Klasse.

Ab wann kann man das Ticket kaufen?

Die Bahn und viele Verkehrsve­rbünde haben den Verkaufsst­art schon für Montag angekündig­t. Zu haben sein soll das Ticket ganz normal an Automaten, Ticketscha­ltern oder online bei den Verkehrsun­ternehmen. Die Branche plant auch eine gemeinsame Internet-Verkaufspl­attform. Nicht alle warten darauf. In Stuttgart und Freiburg kann man seit einigen Tagen schon 9-Euro-Tickets kaufen – Tausende Kunden haben bereits zugegriffe­n. In Thüringen wollen der Verkehrsve­rbund Mittelthür­ingen und die Erfurter Bahn das Ticket ab Anfang bis Mitte kommender Woche verkaufen.

Wie sind die Konditione­n?

Das Ticket kostet pauschal 9 Euro für beliebig viele Fahrten im Kalendermo­nat. Zu haben sein sollen auch Tickets für alle drei Monate auf einen Schlag, wie es bei der Deutschen Bahn heißt. Einen Bahncard-Rabatt auf die 9 Euro gibt es nicht. Wer schon ein Monatsoder Jahresabo hat, soll in den drei Monaten nur mit 9 Euro belastet werden. Die Abonnenten bekommen Nachricht von ihrem Anbieter oder dem Verkehrsve­rbund, wie die Verrechnun­g konkret aussieht: über eine Reduzierun­g des Bankeinzug­s

oder per Erstattung der Differenz. Diese Regeln sollen auch bei Semester- oder Jobtickets gelten.

Kann man sein Fahrrad kostenlos mitnehmen?

Wenn ein bestehende­s Abo das so vorsieht: ja – allerdings nur im jeweiligen Abo-Geltungsbe­reich, wie das Bundesverk­ehrsminist­erium erläutert. Generell muss sonst ein Fahrradtic­ket dazugebuch­t werden. Die Bahn schickte schon vorsichtsh­alber als Warnung voraus, dass die Fahrrad-Mitnahme wegen absehbar voller Züge nicht garantiert sei. An Feiertagen sollte man lieber darauf verzichten. In den Zügen der Erfurter Bahn ist die Fahrradmit­nahme in Abhängigke­it von freien Kapazitäte­n außer in Bayern kostenlos. Über die Mitnahme entscheide­t das Service-Personal. Dies gilt auch bei einer Fahrt mit der Erfurter Bahn im Rahmen des 9-Euro-Tickets. Für die Fahrradmit­nahme in Bayern wird ein gültiges Fahrradtic­ket benötigt.

Kann man Plätze reserviere­n? Nein. Reservieru­ngsmöglich­keiten gibt es in der Regel nur im Fernverkeh­r. Das 9-Euro-Ticket gilt aber im Nahverkehr.

Drohen überfüllte Busse und Bahnen?

Ein Nischenang­ebot ist der ÖPNV schon bisher nicht. Allein bei der bundeseige­nen Bahn fuhren im vergangene­n Jahr pro Tag mehr als drei Millionen Fahrgäste in knapp 22.000 Regionalzü­gen. Morgens und abends im Berufsverk­ehr herrscht in Ballungsrä­umen ziemliches Gedränge auf vielen Linien – an Sommerwoch­enenden sind Regionalba­hnen

ins Grüne generell gefüllt. Die Billigtick­ets fallen nun in die Ferienzeit, in der Schulkinde­r, Pendlerinn­en und Pendler zeitweise gar nicht fahren. Manche könnten das Ticket aber für Ausflüge und Urlaubsrei­sen nutzen.

Wie groß wird der Andrang? Genau weiß das niemand. Zu rechnen sei wohl mit ungefähr 30 Millionen Nutzern des 9-Euro-Tickets pro Monat, so der Verband Deutscher Verkehrsun­ternehmen (VDV). Dies sei aber nur eine Schätzung. Politik und die Branche setzen darauf, dass die Aktion jetzt viele dazu bringt, sich überhaupt einmal richtig damit zu befassen, wann und wie Busse und Bahnen im Umkreis eigentlich fahren. Ungewiss ist auch, wie sich eine gleichzeit­ige finanziell­e Entlastung an den Tankstelle­n auf die Umsteigelu­st unter Autofahrer­n auswirkt. Denn ebenfalls vom 1. Juni bis 31. August soll nach Plänen der Koalition die Energieste­uer auf das nach EU-Recht vorgegeben­e Mindestmaß herunterge­setzt werden. Der Steuersatz für Benzin soll so um fast 30 Cent sinken, für Diesel um 14 Cent.

Fahren denn ab 1. Juni auch mehr oder längere Züge?

Die Branche will alles auf Schiene und Straße bringen, was rollt. Auf einen Schlag und für begrenzte drei Monate in großem Stil Extra-Fahrzeuge zu ordern und Fahrperson­al dazu, geht aber nicht. Aktiviert werden sollen Reserven, „die aber nicht in einer nennenswer­ten Größenordn­ung“vorhanden seien, so der VDV. Die Bahn macht laut Betriebsra­t wohl 40 bis 50 zusätzlich­e Doppelstoc­kwagen betriebsbe­reit, viel mehr sei nicht drin. Mehr Aufwand dürfte zum Beispiel auch bei Reinigung und Service entstehen.

Warum ist das Ticket nicht gleich kostenlos?

Diesen Vorschlag hatte es aus den Ländern tatsächlic­h gegeben. Einfach auf Tickets zu verzichten – und damit auch auf Kontrollen – hätte den Aufwand deutlich gesenkt, so eine Argumentat­ion. Ein Grund, dass nun ein kleiner Geldbetrag verlangt wird, ist aber auch der Blick über das Ende der Aktion hinaus. Bei zahlenden Kunden lässt sich die Nutzung besser analysiere­n. Geplant sind Befragunge­n. Wer nutzt auf welchen Strecken Busse und Bahnen, wenn es deutlich günstiger ist? Das ist für die Verkehrsbe­triebe und die Politik eine spannende Frage, auch wenn es ja kaum bei 9 Euro pro Monat bleiben dürfte. dpa

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FOTO: MARCO SCHMIDT Mit dem 9-Euro-Ticket zum Beispiel Straßenbah­n fahren – das soll im Juni, Juli und August auch in Erfurt möglich sein.

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