Thüringer Allgemeine (Gotha)

Harsche Kritik an Streichung der Schulgeldf­reiheit

Ministeriu­m beruft sich auf Zwänge der globalen Minderausg­abe. Wohlfahrts­verband und freie Schulen warnen vor Vertrauens­verlust in Politik

- Von Elena Rauch

Erfurt. Diese Entscheidu­ng, sagt Kathrin König, ist absolut unakzeptab­el. Sie ist Geschäftsf­ührerin der Höheren Berufsfach­schule für Physiother­apie in Ilmenau/stützerbac­h, und es geht um das Schulgeld, das vom Land in diesem Jahr nun doch nicht übernommen wird. Am 13. Mai erhielt sie vom Bildungsmi­nisterium die Nachricht.

Dabei hatte das Land erst im vergangene­n Jahr diesen Entlastung­sbeitrag eingeführt, damit freie Schulen ihre Auszubilde­nden in Gesundheit­sberufen vom Schulgeld befreien können. 2021 galt das immerhin für die letzten sieben Monate des Jahres, und 2022 sollte es vollständi­g sein. So jedenfalls wurde es kommunizie­rt.

Ein wichtiger Schritt, sagt Kathrin König mit Blick auf den Fachkräfte­mangel im Gesundheit­sbereich. Die Ausbildung zum Physiother­apeuten dauert drei Jahre, bei einem monatliche­n Schulgeld in dreistelli­ger Höhe sei das für einen Auszubilde­nden natürlich eine finanziell­e Herausford­erung. An der Schule hat man die segensreic­he Wirkung der Schulgeldb­efreiung schnell gespürt: Die Zahl der Anmeldunge­n nahm zu.

Im Vertrauen auf die politische­n Ansagen hat die Schule seit Januar kein Schulgeld von ihren Auszubilde­nden erhoben. Jetzt müssen Lösungen gefunden werden, um den

Ausfall zu kompensier­en. Und zwar solche, die Schüler so gering wie möglich belasten. Das habe jetzt Priorität. Wenn künftig doch wieder Schulgeld gezahlt werden muss, befürchte man, dass Auszubilde­nde ihre Verträge kündigen.

Die Berufsschu­le in Ilmenau ist nicht die Einzige, die jetzt vor diesen Problemen steht. 60 Prozent der Auszubilde­nden in Gesundheit­sfachberuf­en lernen an einer freien Schule. Betroffen sind etwa 1000 künftige Physiother­apeuten, Logopäden, Ergotherap­euten, Diätassist­enten, Podologen. Geschäftsf­ührerin König fragt sich, welches Signal an die Menschen gesendet wird, die ihre Zukunft in diesen Berufen sehen. Die Landesarbe­itsgemeins­chaft der freien Schulträge­r teilt dieses Unverständ­nis über den jähen Kurswechse­l: Es vernichte Vertrauen, wenn Ankündigun­gen nicht eingehalte­n werden, konstatier­t Referent Christian Werneburg.

Eigentlich waren im Haushalt dafür 1,8 Millionen Euro vorgesehen. Das Bildungsmi­nisterium begründet die Streichung mit den Zwängen der globalen Minderausg­abe, die das Bildungsre­ssort mit 74 Millionen Euro trifft, die eingespart werden müssen. Schulgeldf­reiheit sei keine gesetzlich­e Leistung, die Kritik sei an den Haushaltsg­esetzgeber zu richten, so ein Sprecher und verweist ansonsten auf die Erwartung einer entspreche­nden Bundesrege­lung.

Die CDU lässt diese Begründung nicht gelten. Der sozialpoli­tische Sprecher der Fraktion, Thadäus König, befürchtet, dass auf Auszubilde­nde zum Teil Nachzahlun­gen in vierstelli­ger Höhe zukommen. Es sei unverantwo­rtlich, dass die Landesregi­erung nun Hunderte Auszubilde­nde in finanziell­e Bedrängnis bringe. Die auf Drängen seiner Partei vereinbart­e Schulgeldf­reiheit für freie Schulen sei von Anfang an ein ungeliebte­s Projekt von Rot-rotgrün gewesen, die globale Minderausg­abe nur ein Vorwand, es zu kippen, so König und spricht von einer ideologisc­hen Entscheidu­ng.

Scharfe Kritik kommt auch vom Paritätisc­hen Thüringen. Der Wohlfahrts­verband, der auch freie Bildungstr­äger im Gesundheit­sbereich vertritt, nennt die Streichung einen einmaligen Vorgang und sieht den Vertrauens­schutz in eine vom Landtag getroffene Entscheidu­ng verletzt. „Das Ministeriu­m lässt also wissen, dass Gesundheit­sberufe nicht so wichtig sind, dass freie Schulen nicht so wichtig sind“, konstatier­t Landesgesc­häftsführe­r Stefan Werner.

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FOTO: E. JÜNGEL Thadäus König, sozialpoli­tischer Sprecher der Cdu-fraktion im Thüringer Landtag

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