Thüringer Allgemeine (Gotha)

Ein Idyll im Wattenmeer

Auf Spiekeroog gibt es keine Hektik – nur einsame Strände, gesunde Luft und ein verträumte­s Dörfchen

- Von Sybille Boolakee

Wo ist denn hier das Meer? Vögel zwitschern, Rosenblüte­n duften, Kinder hüpfen über die sandige Dorfstraße – Spiekeroog lädt ein zu einer Zeitreise in eine Bullerbü-welt. Das Meer ist erst zu sehen, wenn man das dicht mit Sträuchern, Gräsern und Strandhafe­r bewachsene Dünengebir­ge im Norden der Insel erklommen hat.

Was für eine Aussicht! 15 Kilometer weit erstreckt sich ein weißer Sandstrand entlang der ganzen Insel. Die Weite und Einsamkeit fasziniere­n, ebenso das ewige Wechselspi­el von Ebbe und Flut und der hohe, weite Himmel. Wolkentürm­e bauschen sich, um gleich darauf vom Wind wieder fortgepust­et zu werden. Die Luft schmeckt nach Wasser und Salz und prickelt auf der Haut. Sofort möchte man zu einem langen Strandspaz­iergang aufbrechen.

Keine Autos, keinen Flughafen und nur ganz wenige Fahrräder

Das Inselparad­ies in der Nordsee ist nur sechs Kilometer vom Festland entfernt, doch eine kleine Welt für sich. Dort haben Ruhe und Natur Vorrang. Die Spiekeroog­er wollten nie ein zweites Sylt werden und haben es früh verstanden, ihre dörfliche Idylle zu bewahren. So gibt es auf der Insel keine Autos, keinen Flughafen und nur ganz wenige Fahrräder. Es gibt auch keine Hochhäuser, sondern denkmalges­chützte Friesenhäu­ser mit grünen Wintergärt­en, grünen Türen, grünen Fensterläd­en und grünen Zäunen. Überall auf der Insel gedeihen Wäldchen, die von den findigen Insulanern seit dem 19. Jahrhunder­t als Wind- und Wetterschu­tz angepflanz­t werden. Und die Bäume spenden den Cafés und Teestuben, an denen das muntere Inselleben vorbeizieh­t, wohltuend Schatten.

Auf den Wegen grasten früher Kühe und schnattert­en Gänse. Entbehdet, rungsreich, aber auch geprägt von einem starken Zusammenha­lt, war einst der Alltag. Die Insulaner bildeten eine Riesenfami­lie. Damit all diese Erinnerung­en nicht verloren gehen, wurde der historisch­e Lesepavill­on zu einem Museum umfunktion­iert. In der Ausstellun­g „Erzähl doch mal...“lauschen die Besucher den Geschichte­n und Anekdoten der älteren Inselbewoh­ner in kurzen Videoclips. Sie berichten aus ihrer Kindheit, von ihren Traditione­n und von Sturm und Eis.

Sicher geborgen vor Sturmflute­n duckt sich hinter den Dünen die Alte Inselkirch­e, die 1696 erbaut wurde. „In der ganzen Kirche finden Sie Hinweise auf das Meer und sogar Meeresbewo­hner. Sehen Sie sich mal um“, lädt verschmitz­t die Gästeund Nationalpa­rkwattführ­erin Anja Sander die Teilnehmer bei der Dorfführun­g zur Suche ein. Tatsächlic­h: Segelschif­fe baumeln unter der Sternenhim­meldecke - die sieht jeder, und die alte Kogge in den Glasfenste­rn fällt auch sofort auf. Doch die gut versteckte­n Krebse und die Queller, Pflanzen der inseltypis­chen Salzwiesen, die ebenfalls die Fenster schmücken, entdecken nur die Kinder.

Dass Familien die Insel ganz besonders lieben, ist kein Wunder. Die Kleinen können sich dort sehr frei bewegen. Überhaupt gewöhnt man sich rasch an das autofreie Leben keine Hektik, keine Abgase und kein Gehupe. Die wenigen Fahrräder

auf der Insel gehören zumeist Insulanern – einen Fahrradver­leih für Besucher gibt es nicht.

Die Brandungsz­one ist ein Segen für Allergiker

Dafür rückt bei einer ausgedehnt­en Wanderung die Zivilisati­on in weite Ferne. Mit jedem Atemzug tankt man salz- und jodhaltige Luft. „Direkt an der Brandungsz­one werden die salzhaltig­en Aerosole besonders intensiv inhaliert“, erfährt man dazu im Kurmittelh­aus. Allergiker wissen das schon lange. Wer die natürliche­n Heilkräfte des Meeres noch intensiver nutzen möchte, der findet im Kurmittelh­aus zahlreiche Thalasso-anwendunge­n aus Meerwasser, Schlick, Salz und Algen. Das Thema Nachhaltig­keit wird auch im neuen Thalasso-gesundheit­szentrum, das Ende des Jahres seine Pforten öffnet, im Mittelpunk­t stehen. Dort werden dann vor allem ortsgebund­ene Heilmittel verwen

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FOTOS: ISTOCKPHOT­O Unverbaute Natursträn­de laden zum Spaziereng­ehen und Sonnenbade­n ein.

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