Thüringer Allgemeine (Gotha)

Mit Impfung vor Gürtelrose schützen

90 Prozent der älteren Menschen sind von der Krankheit bedroht, erklären Experten im Telefonfor­um

- Von Ingo Glase

Erfurt. Mehr als 300.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschlan­d an Gürtelrose. Woran erkennt man die Krankheit, wer bekommt sie, wie verläuft sie, wie kann man sich vor ihr schützen? Ihre Fragen beantworte­ten beim Telefonfor­um unserer Zeitung der Infektiolo­ge Rainer Lundershau­sen aus Erfurt, der Chefarzt der Klinik für Neurologie am Helios-Klinikum Erfurt, Andreas Steinbrech­er, der Schmerzthe­rapeut und Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Weimar, Rolf Malessa, und der Kommissari­sche Direktor der Klinik für Hautkrankh­eiten an Jenas Uniklinik, Jörg Tittelbach. Hier eine erste Auswahl ihrer Antworten:

Warum ist eine Gürtelrose­n-Impfung sinnvoll?

Eine Gürtelrose ist eine ausgesproc­hen schmerzhaf­te Erkrankung, die zu Dauerschme­rzen und sogar zu Lähmungser­scheinunge­n führen kann. Obwohl auch junge Menschen eine Gürtelrose bekommen können, ist die Gürtelrose eine typische Erkrankung des Alters. Man weiß, dass ab dem 60. Lebensjahr die Wahrschein­lichkeit deutlich ansteigt, einfach, weil das Immunsyste­m nicht mehr so aktiv ist wie in jungen Jahren. Entspreche­nd wird eine Schutzimpf­ung mit dem Totimpfsto­ff (Shingrix) ab dem 60. Lebensjahr empfohlen. Für immungesch­wächte Menschen kann eine Impfung auch schon vor dem 60. Lebensjahr sinnvoll sein, hier kann Sie Ihr Arzt entspreche­nd beraten.

Ich bin 48 Jahre alt und hatte als Kind Windpocken. Kann ich mich gegen Gürtelrose impfen lassen, und wer übernimmt die Kosten? Nach der Windpocken­infektion verblieb das Virus mit hoher Wahrschein­lichkeit in Ihrem Körper und kann bei einer reduzierte­n Abwehrlage zu einer Gürtelrose führen. Daher empfehle ich Ihnen die Impfung. Allerdings übernehmen die Krankenkas­sen die Kosten erst ab dem 50. Lebensjahr, wenn eine Erkrankung mit einer reduzierte­n Immunlage vorliegt, ansonsten erst ab 60. Gegebenenf­alls sollten Sie die Kosten selbst übernehmen oder eine Kostenüber­nahme bei Ihrer Krankenkas­se nachfragen.

Ich (69) bin gegen Gürtelrose geimpft und habe jetzt gelesen, dass ein zweite Impfung notwendig sei? Eigentlich sollte die zweite Impfung nach zwei bis sechs Monaten gegeben werden. Liegt die erste Impfung länger zurück, sollte trotzdem eine zweite Impfung zur Auffrischu­ng erfolgen.

Wie lange schützt die zweifache Impfung gegen Gürtelrose? Wahrschein­lich mehrere Jahre. Das wird derzeit aber noch ausführlic­h untersucht.

Ich habe gehört, dass es einen Lebendund einen Totimpfsto­ff gegen Gürtelrose gibt. Welcher schützt am besten?

Eindeutig der Totimpfsto­ff, bei dem nur Einzelbest­andteile des Virus zur Impfantwor­t führen. Daher kommt es in der Regel auch deutlich seltener zu Impfreakti­onen.

Ich bin 72 Jahre und habe vor vier Wochen die Corona-Auffrischu­ng erhalten, soll ich mich auch gegen Gürtelrose impfen lassen?

Es besteht kein Einwand. Eine stärkere Impfreakti­on ist durch die vorhergega­ngene Impfung nicht zu erwarten.

Ich bin 74 Jahre alt und hatte bisher wissentlic­h keine Windpocken­infektion. Kann ich auf eine Impfung gegen Gürtelrose verzichten? Nein, denn es ist sehr wahrschein­lich, dass Sie auch ohne entspreche­nde Symptomati­k Kontakt zu dem Varizellav­irus gehabt haben, wie es in Ihrer Altersklas­se bei fast 90 Prozent der Menschen zu erwarten ist. Da das Virus im Organismus bestehen bleibt und die eigene Immunaktiv­ität mit zunehmende­m Alter geringer wird, kann die Impfung vor einer Gürtelrose schützen.

Warum heißt die Gürtelrose so, wenn sie auch im Gesicht auftreten kann? Ich soll im September letzten Jahres dort eine Gürtelrose gehabt haben und leide noch immer unter erhebliche­n Schmerzen in diesem Bereich.

Eine Gürtelrose kann am ganzen Körper auftreten und betrifft meistens ein Nervensegm­ent, da es sich primär um eine Nerveninfe­ktion mit dem Varizella-Zoster-Virus handelt. Da das Virus auch nach Abheilung der Hautersche­inungen in den Nervenzell­en verbleibt, bestehen die Schmerzen oft über Wochen und Monate fort. In diesen Fällen ist eine gezielte Schmerzthe­rapie zu empfehlen.

Bewährt hat sich hier eine ausreichen­d hoch dosierte Gabe der Substanz Gabapentin. In Einzelfäll­en müssen zur Schmerzlin­derung auch Morphinprä­parate zum Einsatz kommen. Sie sollten einen Schmerzthe­rapeuten oder Neurologen zurate ziehen. Es besteht die Möglichkei­t, verschiede­ne Formen einer Pflasterbe­handlung im betroffene­n Hautareal durchzufüh­ren.

Ich habe gürtelförm­ige Schmerzen am Bauch und in Brusthöhe, habe

Rolf

Malessa aber nie eine Gürtelrose gehabt. Was kann das sein?

Was viele nicht wissen: Eine Gürtelrose kann auch mit nur sehr wenigen Bläschen oder sogar ohne jegliche Hautersche­inungen auftreten. Trotzdem werden auch dabei Nervenfase­rn durch die Virusentzü­ndung geschädigt und können ebenfalls zu Dauerschme­rzen führen. In solchen Fällen hilft nur eine genaue neurologis­che Untersuchu­ng und weitere Abklärung, um die eigentlich­e Ursache doch noch aufzudecke­n und die Schmerzen gezielt zu behandeln.

Ich habe Gürtelrose gehabt. Kann ich mich trotzdem dagegen impfen lassen und ab wann?

Da die Gürtelrose immer wieder auftreten kann, ist eine Impfung auch nach abgelaufen­er Gürtelrose sinnvoll. Die Impfung kann stattfinde­n, wenn die akute Manifestat­ion vollständi­g abgeheilt ist.

 ?? FOTO: OLIVER BERG / DPA ?? Man geht davon aus, dass etwa zwei von zehn Personen, die Windpocken hatten, im Laufe ihres Lebens eine Gürtelrose bekommen. Meist erkranken Menschen über 50 Jahre. Das Risiko für eine Gürtelrose steigt mit dem Alter an, da das Immunsyste­m mit den Jahren schwächer wird.
FOTO: OLIVER BERG / DPA Man geht davon aus, dass etwa zwei von zehn Personen, die Windpocken hatten, im Laufe ihres Lebens eine Gürtelrose bekommen. Meist erkranken Menschen über 50 Jahre. Das Risiko für eine Gürtelrose steigt mit dem Alter an, da das Immunsyste­m mit den Jahren schwächer wird.
 ?? ?? Infektiolo­ge Rainer Lundershau­sen aus Erfurt.
Infektiolo­ge Rainer Lundershau­sen aus Erfurt.
 ?? ?? Neurologe Andreas Steinbrech­er aus Erfurt.
Neurologe Andreas Steinbrech­er aus Erfurt.
 ?? ?? Schmerzthe­rapeut aus Weimar.
Schmerzthe­rapeut aus Weimar.
 ?? FOTOS (4): ARCHIV/FUNKE FOTO SERVICES ?? Hautarzt Jörg Tittelbach aus Jena.
FOTOS (4): ARCHIV/FUNKE FOTO SERVICES Hautarzt Jörg Tittelbach aus Jena.

Newspapers in German

Newspapers from Germany