Thüringer Allgemeine (Gotha)

Klinik in den eigenen vier Wänden

Krankenhau­s ade: In Dänemark können sich Patienten nun zu Hause behandeln lassen

- Von Andre Anwar

Aalborg/Stockholm. Rikke Starup könnte im Krankenhau­s liegen, stattdesse­n sitzt sie zu Hause auf dem Sofa, während Antibiotik­a aus einem Beutel in ihren rechten Arm tröpfeln. Wenn sie die Energie hat, näht sie nebenbei an einem bunten Kleid. Starup ist froh, die Zeit nicht in der Klinik verbringen zu müssen: „Ich fühle mich nicht so krank, wenn ich zu Hause bin“, sagt sie. „Man erholt sich schneller in einer vertrauten Umgebung.“

Rikke Starup leidet an einer Infektion in ihrem Becken – und profitiert von einem neuen Ansatz, den das dänische Gesundheit­swesen verfolgt: Heim- statt Krankenhau­sbehandlun­g. Das ist vielen Patienten nicht nur angenehmer, sondern bekämpft den chronische­n Bettenmang­el in dänischen Kliniken. Wenn Starup bislang im Krankenhau­s ihre Antibiotik­a bekam, wurde ihr alle sechs Stunden eine Infusion verabreich­t. „Sonst gab es nicht viel zu tun“, erinnert sie sich gegenüber dem öffentlich-rechtliche­n dänischen Rundfunkse­nder DR. Sie ist froh, dass die Langeweile in fremder Atmosphäre ein Ende hat.

Denn dänische Krankenhäu­ser haben sich nun dazu verpflicht­et, ihren Patienten Heimbehand­lungen anzubieten. Das ist zwar nicht in jedem Einzelfall möglich. Doch für Antibiotik­agaben, Dialysever­fahren sowie bestimmte Formen der Chemothera­pie muss niemand mehr tagelang in der Klinik herumliege­n.

Die Abteilung für Infektions­krankheite­n des Universitä­tskrankenh­auses Aalborg hat auf diese Weise im vergangene­n Jahr mehr als 500 Tage Krankenhau­saufenthal­t eingespart, berichtet DR. Dort will man nun noch mehr Menschen in ihren Wohnungen versorgen. „Wenn wir einen Teil der Patienten, die sonst bis zu sechs Wochen hier wären, zu Hause behandeln können, werden Betten für Patienten frei, die einen echten stationäre­n

Aufenthalt benötigen“, sagt der Stationsar­zt Jesper Smit. In Dänemark sind überfüllte Kliniken ein Dauerthema. Patienten berichten, dass sie auf dem Flur lange auf ihre Behandlung warten mussten. Damit soll nun Schluss sein.

Wenn Kranke Hilfe brauchen, kommt eine Pflegekraf­t

„Selbst wenn die frei werdenden Bettenplät­ze nicht alle Probleme der Überbelegu­ng lösen, können sie doch etwas bewirken“, glaubt Jes Sögaard, Professor für Gesundheit­sökonomie. Jeder Beitrag, der den Druck auf die Krankenhäu­ser verringere, sei willkommen.

In Dänemark haben sich die Verantwort­lichen der Krankenhäu­ser vorgenomme­n, in Zukunft weitere Klinikbett­en für akute Fälle freizubeko­mmen. Dafür müssten die Städte und Krankenhäu­ser jedoch gut zusammenar­beiten, fordert Sögaard. Denn manchmal sei es notwendig, dass eine Krankensch­wester von der kommunalen Hauspflege bei der Behandlung zu Hause helfe. Einige Patienten bräuchten hin und wieder Unterstütz­ung, weil sie ganz alleine nicht klarkommen. „Man muss dafür sorgen, dass in den Gemeinden genügend Personal vorhanden ist, wenn eine Krankensch­wester zum Patienten nach Hause kommen muss“, unterstrei­cht der Gesundheit­sökonom.

Rikke Starup ist derweil froh, dass jemand für sie da ist: Ihr Mann kümmert sich. Er hilft ihr beim täglichen Pumpenwech­sel. Starup ist erleichter­t und sagt, dass alles reibungslo­s funktionie­re. Zuerst sei sie entsetzt gewesen bei dem Gedanken, sich um alles selbst bemühen zu müssen, sagt sie. „Aber es ist super einfach.“Wenn sie das nächste Mal medizinisc­he Hilfe braucht, will sie diese wieder daheim bekommen.

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SHUTTERSTO­CK Lieber zu Hause: Die Dänen setzen auf Heimbehand­lungen.

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