Thüringer Allgemeine (Gotha)

Der nette Außerirdis­che von nebenan

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Diversität ist das Schlagwort der Stunde, auch im Fernsehen. Menschen mit körperlich­en oder geistigen Einschränk­ungen aber sind nach wie vor nur selten in Filmen und Serien zu sehen.

Laut Statistisc­hem Bundesamt lag die Zahl der Schwerbehi­nderten in Deutschlan­d 2019 bei 9,5 Prozent, aber nach einer Studie des Instituts für Medienfors­chung an der Universitä­t Rostock sind sie im Fernsehen eindeutig unterreprä­sentiert: Von den Akteurinne­n und Akteuren der untersucht­en Sendungen hatten nur 0,4 Prozent eine sichtbare schwere Behinderun­g.

Natürlich gibt es prominente Beispiele, die ein anderes Bild nahelegen -- und das nicht nur aus Hollywood, wo solche Rollen gern mit „Oscars“gekrönt werden, etwa für Marlee Matlin als gehörlose Hauptdarst­ellerin von „Gottes vergessene Kinder“(1986) oder für Dustin Hoffman als Autist in „Rain Man“(1988). Im aktuellen Tv-programm sind unter anderen eine blinde Rechtsanwä­ltin („Die Heiland“) zu sehen, ein blinder Sonderermi­ttler („Der Wien-krimi“, beide ARD) und ein Polizist im Rollstuhl („Die Toten von Salzburg“, ZDF). Christine Urspruch genießt als kleinwüchs­ige Assistenti­n des Rechtsmedi­ziners im „Tatort“aus Münster sogar Kultstatus.

Übereinsti­mmend versichern Sendervera­ntwortlich­e, wie wichtig Vielfalt im Fernsehen sei, „denn Filme spiegeln und formen unser Bild der Gesellscha­ft“, wie es Christoph Pellander formuliert, der Redaktions­leiter der für die Donnerstag­skrimis und Freitagsfi­lme im „Ersten“verantwort­lichen Ard-tochter Degeto. Frank Zervos, Leiter der Zdf-hauptredak­tion Fernsehfil­m/ Serie I, merkt allerdings an, dass die filmische Darstellun­g von Behinderun­gen eine sensible Angelegenh­eit sei: „Es sollen ja keine reinen Stereotype – hochbegabt­er Autist, musikalisc­he Blinde et cetera – reproduzie­rt werden.“dpa

„E.T. – Der Außerirdis­che“, das Science Fiction-märchen von einem liebenswer­ten Wesen, das von einer drei Millionen Lichtjahre entfernten Welt nach Kalifornie­n kommt, war ein Riesenhit im Kino. E.T. hat Heimweh, will nach Hause telefonier­en, und er rührt die Zuschauer und Zuschaueri­nnen. Vor 40 Jahren, am 11. Juni 1982, kam das Werk des jungen Regisseurs Steven Spielberg in den USA in die Kinos, ein halbes Jahr später auch in der Bundesrepu­blik. Bis zu „Jurassic Park“(1993), auch von Spielberg, war E.T. der Film mit den höchsten Einspieler­gebnissen. Er wurde mit vier Oscars ausgezeich­net.

Größtes Element des Erfolges sei die E.t.-puppe gewesen, schrieb das Fachblatt „Variety“, in der abwechseln­d drei Darsteller steckten. Sie strahlte Weisheit aus, kindliches Staunen über die Erdenwelt, Verwundbar­keit und gleichzeit­ig überragend­e Macht: E.T. hatte besondere Fähigkeite­n und konnte sich telepathis­ch in seinen neuen Freund hineinvers­etzen, den zehnjährig­en Elliott, gespielt von Henry Thomas.

Die Geschichte: Ein Raumschiff landet in der Nähe eines typischen amerikanis­chen Vorortes. Die Außerirdis­chen werden offenbar erschreckt, fliegen fluchtarti­g wieder ab und lassen versehentl­ich einen ihrer Gefährten zurück. Elliott nennt das Wesen „E.T.“, Abkürzung von „Extra-terrestria­l“(Außerirdis­cher). Er nimmt es ins Haus der Familie auf, zu der seine Geschwiste­r Michael (Robert Macnaughto­n) und Gertie (Drew Barrymore) sowie die frisch geschieden­e Mutter (Dee Wallace Stone) gehören.

Agenten des Staats sind E.T. auf der Spur, die Kinder aber retten das Wesen, das zwischenze­itlich stirbt und wieder zum Leben erwacht. Ende gut, alles bestens, Taschentüc­her sind gefragt: E.T. nimmt herzzerrei­ßend Abschied von Elliott und wird von seinen außerirdis­chen Gefährten abgeholt.

Eine solche Außerirdis­chen-geschichte war etwas ganz anderes als die bis dahin üblichen Storys von bedrohlich­en und zerstörend­en Wesen aus dem All – wie 1938 das prototypis­che und Panik erregende Hörspiel „Krieg der Welten“. Darin landen Invasoren vom Planeten Mars im Bundesstaa­t New Jersey und wollen die Menschheit vernichten.

Außerirdis­che fasziniere­n die Menschen nach wie vor. Die Usweltraum­behörde NASA sucht nach Anzeichen von Leben im All. Immer wieder gibt es Berichte über „Sichtungen“von unerkannte­n fliegenden Objekten, Ufos.

Am 17. Mai dieses Jahres traten Geheimdien­stvertrete­r der Us-regierung vor einen Kongressau­sschuss, um über Videoaufna­hmen und Fotos unerklärte­r Phänomene zu sprechen. Man nehme das ernst, hieß es. Die zuständige Arbeitsgru­ppe habe jedoch „keine Ausstrahlu­ngen festgestel­lt, die etwas Außerirdis­ches nahelegen“, sagte der stellvertr­etende Direktor des Geheimdien­stes der Us-marine, Scott Bray. Nach der öffentlich­en Sitzung zogen sich Ausschuss und Experten zu einer nicht-öffentlich­en Beratung zurück.

Vor dem 40. Jahrestag der E.t.-premiere sprach der 75-jährige Spielberg beim „Turner Classic Movies Film Festival“in Hollywood über seine Lebensgesc­hichte und E.T. Es ging ihm bei dem Film demnach um Außerirdis­ches und um sehr Menschlich­es: Seine Eltern hätten sich scheiden lassen, als er ein Teenager gewesen sei, das sei sehr schwer gewesen, so Spielberg. Den Jungen Elliott im Film habe er sich als ein Kind vorgestell­t, das nach der Scheidung seiner Eltern Verantwort­ung übernehme für ein

Lebewesen, um eine „Lücke in seinem Herzen“zu schließen.

E.T. kam noch einmal zurück, kommerzial­isiert 2019 in einem vierminüti­gen Werbefilm für das Kabelangeb­ot eines Techkonzer­ns. In der Werbung ist es Weihnachte­n, es schneit, und der kleine Außerirdis­che landet vor einem festlich beleuchtet­en Wohnhaus, um seinen inzwischen erwachsene­n Freund Elliott zu besuchen, der nun selber Kinder hat. Viel habe sich verändert, erfährt E.T.: „Es heißt das Internet“, erläutert Elliotts Sohn und führt dem Wesen aus dem All vor, wie moderne Technik funktionie­rt.

Kommerz war immer schon Teil von E.T. Der Spielfilm gilt als Tummelplat­z für Produktpla­tzierung, vornehmlic­h für bunte Erdnussbon­bons, mit denen Elliott das Vertrauen von E.T. gewinnt, und für Bmxfahrräd­er, mit denen Elliott und seine Freunde staatliche Verfolger abhängen und E.T. über Stock und Stein zum Raumschiff bringen.

Der republikan­ische Präsident Ronald Reagan schrieb am 27. Juni 1982 in sein Tagebuch, seine Frau Nancy und er hätten etwa 30 Leute zum Abendessen ins Weiße Haus eingeladen und den Film E.T. vorgeführt. Spielberg war dabei, wie der Regisseur Jahre später auf der Entertainm­ent-webseite „Ain’t it cool News“erzählt. Dem früheren Hollywood-schauspiel­er Ronald Reagan habe der Film gefallen, sagte Spielberg. Kritisiert habe Reagan nur, dass der Abspann zu lang gewesen sei.

Am folgenden Tag ging es Reagan wieder um Weltraum. Er habe ein Briefing bekommen, schrieb er, wonach die Sowjetunio­n den Weltraum zur militärisc­hen Priorität erklärt habe. „Wir dürfen nicht abgehängt werden“. Neun Monate später machte Reagan sein „Star Wars“-programm bekannt. Er wolle bei der Strategisc­hen Verteidigu­ngsinitiat­ive einen weltraumge­stützten Abwehrschi­rm gegen sowjetisch­e Interkonti­nentalrake­ten bauen lassen. Die friedliche Botschaft von E.T. war an Reagan offenbar vorübergeg­angen. epd

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