Thüringer Allgemeine (Gotha)

Geister im 21. Jahrhunder­t

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Es waren zwei Königskind­er, die hatten einander sehr lieb, sie konnten einander nicht finden, das WLAN war viel zu seicht. Seit drei Wochen gibt es kein WLAN in der Stipendiat­enwohnung und mit dem Kabel klappt es nur gelegentli­ch. Nebenher der Drucker gerne zwei Blätter auf einmal einzieht, dann nicht aufhört zu husten als hätte er Corona, oder sich mitten in der Nacht selbst einschalte­t, etwas brabbelt und wieder ausschalte­t – es wird am Alter des Gebäudes und der Menge an Geistern liegen. Sie werden niemals einen Exorzisten brauchen: Kaufen Sie einen

Drucker, der Geist wird ihn als neuen Wohnort wählen, verschenke­n Sie den Drucker, und siehe da: Kein Geist mehr.

Für WLAN gibt es aber keine einfachen Exorzismen, ich habe also die Nummer des Informatik­ers gewählt, die man mir für derlei gab. Man schickte mir jemanden, der mir erklärte, was ich schon wusste: Dass es nicht funktionie­rt. Aber auch: Dass man nicht wisse, wer überhaupt zuständig sei. Dafür schickte man mir von zuständige­r Stelle jemanden, der mir, was ich schon wusste, abermals erklärte und mir versprach, ein Elektriker würde sich bei mir melden. Das ist nicht passiert. Man hat uns in dieser Wohnung einfach vergessen.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass amtliche Schreiben gerne verkünden, man solle etwas hochladen, was dann doch online ausgefüllt, ausgedruck­t, unterzeich­net und postalisch verschickt werden muss. Wäre da nicht der Geist im Drucker. Ich bin aber kein Amt, daher ist mir das Netz nicht völlig fremd. Da das WLAN in meinem Vertrag steht, habe ich überlegt, die Kolumne für die Länge des Zeitraums der Netzabwese­nheit auszusetze­n, aber, liebe Leser, Sie können ja nichts dafür.

Die Alternativ­e wäre gewesen, solange ich kein Internet habe, jede Kolumne über Weimar zu schreiben.

Alle Gothaer können sich die energisch-ablehnende kreuchsche Handbewegu­ng, die auf die Lautfolge „Weimar“anschließt, in Erinnerung rufen. Vermutlich käme er dann höchstselb­st das Kabel auszutausc­hen. Weimar ist auch großartig, gerade der Rokokosaal, wo ein leeres Regal nur auf meine Ergüsse wartet. Schöne Gärten, spannende Häuser, Unmengen an Museen, ja, was Weimar alles hat. Eine große Vergangenh­eit um sie zu feiern. Nur eins hat Weimar nicht und das ist wirklich peinlich: Einen Stadtschre­iber. Sollten die sich zulegen, ich schreib ihnen das auch selbst, wenn ich wieder WLAN habe.

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