Jubelchöre singen im Jubiläumsjahr
In Waltershausen erklingen im 300. Jahr der Stadtkirche Kantaten aus Bachs Weihnachtsoratorium
Waltershausen. Bachs Weihnachtsoratorium, Kantaten 1 und 6, am dritten Advent – das war ein würdiges Ereignis zum Abschluss des Kirchenjubiläums. Sicherlich auch für Tom Anschütz, seit einem Jahr Kantor in Friedrichroda und ab Januar in Ohrdruf.
Für ihn war es die erste große Aufgabe, dieses Konzert mit vier Gesangssolisten, dem Ensemble vocale Waltershausen, der Kantorei Laudate Friedrichroda und dem Telemannischen Collegium Michaelstein zu leiten.
In gemeinsamer Probenarbeit mit Kirchenmusikdirektor Theophil Heinke hatte er die beiden Chöre für den großen Auftritt vorbereitet.
Glanzvolle Trompeten und voller Orgelklang
„Jauchzet, frohlocket!“– dieser musikalisch elektrisierende Ruf des Chors, unterstützt durch die glanzvoll auftrumpfenden Trompeten, hat in all den Jahren seine mobilisierende Wirkung bewahrt und versetzt jedes Mal aufs Neue die Zuhörer in eine erwartungsvolle, herzoffene Stimmung. Wenn dann noch die Orgel (Heinke), von Bach als Teil des Continuos vorgesehen, lautstark den jubelnden Gestus aufgreift, ist Steigerung nicht mehr möglich.
In umso größerem Kontrast dazu stand der Choral „Wie soll ich dich empfangen“in bewusst zurückgenommenen Tempo und deshalb mit besonders tief gehender Wirkung auf die Zuhörer.
Bekanntlich haben die Choristen in diesem Werk, besonders in den polyphonen Passagen schneller Sätze, einiges an Konzentration und sängerischen Fertigkeiten aufzubringen. Ihnen darf bescheinigt
werden, dass sie sich wacker geschlagen haben. Dass die Michaelsteiner es verstehen, auf ihren Instrumenten, barocken Originalen nachgebaut, stilgerecht zu musizieren, ist kein Geheimnis. In ihrer Professionalität waren sie eine verlässliche Stütze der Aufführung.
Wie kamen die Solisten an? Zwei waren wegen Erkältung ausgefallen, wofür zwei andere kurzfristig einsprangen. Doch auch sie waren
inzwischen von den grassierenden Viren nicht ganz verschont geblieben – und gaben trotz gewisser Indisposition ihr Bestes.
Der Tenor Tobias Schäfer überzeugte als Evangelist durch sein helles, weiches, zugleich sanft strahlendes Timbre. Die Altpartie hatte der Altus Lucas Förster übernommen, der mit seiner fast ein wenig sopranesk anmutenden Stimme für Überraschung sorgte. Eine gute Figur
machte auch Heiko Mauschel, der als Bassist in diesem Oratorium nicht zuletzt an der Bewältigung der Koloraturarie „Großer Herr und starker König“gemessen wird.
Als Spezialistin für Renaissanceund Barockmusik bekannt und begehrt, sang Anna Kellnhofer die Sopranpartie. Ihr Markenzeichen ist der gerade in dieser Stilepoche so wichtige weitgehende Verzicht auf Vibrato, was dem Ausdruck eine besondere Authenzität verleiht. Ungewöhnlich, doch durchaus interessant, geriet die Sinfonia aus Kantate 2 – statt vom Orchester musiziert, in einer Bearbeitung von Robert Gower mit Theophil Heinke an der großen Trost-Orgel.
Zum Schluss spendeten die Zuhörer langen Applaus im Stehen – so lange, bis noch einmal Teil A des Eingangschors durch die Kirche hallte.