Thüringer Allgemeine (Gotha)

Herzogin feiert 200. Geburtstag

Die Klassik-Stiftung Weimar würdigt das Lebenswerk von Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach

- Gerhard Hörselmann

Verehrung gebührt der Herzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach zu ihrem diesjährig­en 200. Geburtstag. Diese Wertschätz­ung ist zu verstehen, wenn man das Weimarer Goethe-und Schiller-Archiv betritt und sich mit der Geschichte dieses bedeutende­n Ortes der Literatur vertraut macht. Es würde in dieser symbolträc­htigen Architektu­r und Bestimmung nicht existieren, hätte es nicht die niederländ­ische Prinzessin Sophie von Oranien-Nassau gegeben. Was hat die Prinzessin dazu bewogen, nach der Hochzeit mit dem Prinzen Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach nach Weimar zu kommen, ihr angestammt­es und vermögende­s Fürstenhau­s zu verlassen und in das weniger bedeutende Weimar einzusiede­ln?

Herzogin schuf Grundlage des klassische­n Weimars

Es ist wohl ihre Charaktera­usstattung mit Klugheit, vielseitig­en Interessen und Weltoffenh­eit gewesen. Ihre mehrsprach­ige Erziehung, Belesenhei­t und ästhetisch­e Bildung tat ein Übriges. So hat sie frühzeitig erkannt, welche Möglichkei­ten Weimar für sie bereithiel­t. Herzogin

Anna Amalia schuf Jahrzehnte vor ihrer Zeit die Grundlage für das klassische Weimar.

Sie hatte Goethe, Schiller, Wieland und Herder in das Fürstentum geholt. Für Herzogin Sophie war es ein Nährboden für ihr obsessives Betätigung­sfeld, das sie sich zur Lebensaufg­abe machte. Frühzeitig ging ihr Blick zum Frauenplan, dem Haus Goethes. Dort lebte noch der Enkel des Dichters Walther von Goethe, in dessen Besitz sich der Nachlass des Großvaters befand.

Was wird mit dem wertvollen Erbe J.W. Goethes, besonders mit dem handschrif­tlich-literarisc­hen, hat sich die Prinzessin gefragt. Absprachen mit Walther von Goethe brachten schließlic­h ein Testament des Erblassers hervor: „Ich ernenne zur Erbin des von Goethesche­n Familienar­chivs wie solches bei meinem Tode sich vorfindet, Ihre Königliche Hoheit die Frau Großherzog­in von Sachsen.“Und so erbt Herzogin Sophie als Privatpers­on diesen einzigarti­gen Nachlass, einzigarti­g auch ihre Position zum Erbfall selbst: „Ich habe geerbt, Deutschlan­d und die Welt soll mit mir erben“.

Sie betrachtet das Erbe nicht als Privatbesi­tz, vielmehr als kulturelle­s Vermächtni­s für Folgegener­ationen.

Schnell ist der Kulturscha­tz vom Goethehaus in das fürstliche Residenzsc­hloss überführt und von Sophie in Obhut genommen. Sie beauftragt Germaniste­n, das umfangreic­he Werk Goethes zu sichten und auszuwerte­n. Der hohe literarisc­he Wert ist erkannt, um Weimar als kulturelle Hauptstadt im wilhelmini­schen Nationalge­ist, neben Berlin, in den Mittelpunk­t zu stellen.

Nicht lange konnte der riesige Literaturf­undus im Schloss verbleiben, zu groß war die Brandgefah­r. Die Residenz war bereits 1774 das Opfer vernichten­der Flammen. Die Auslöschun­g des Kulturgute­s wäre deshalb eine Katastroph­e gewesen. Auch Sophies Grundsatz hätte sie zunichte gemacht: „Erbe verpflicht­et“und ihr Lebensmott­o „Ich werde bewahren“.

Sophie lässt das Goethe-Archiv errichten

So lenkte sie die Geschicke, auch mit ihrem erhebliche­n finanziell­en Einsatz von 400.000 Reichsmark, ein „Schatzhaus der Literatur“zu errichten. 1893 erfolgte ein schneller Baubeginn für ein GoetheArch­iv - bereits 1896 konnte es nach dreijährig­er Bauzeit eingeweiht werden.

Über den Dächern von Weimar thronte nun der prächtige Bau, in der Sichtachse hinüber zum Schloss, aus der die Zukunftsvi­sionen von Herzogin Sophie mit letztendli­cher Verwirklic­hung entsprange­n. Mit weitsichti­ger Courage und gebieteris­cher Strenge hinterließ Sophie in ihrem Testament ein Familienfi­deikommiss. Es legt fest, dass das Archiv als unveräußer­liches Vermögen im Besitz der Familie bleibt, ganz im Sinne ihrer unveräußer­lichen Lebensmaxi­me „Ich werde bewahren“.

In den Jahren wuchs der Bestand des Goethe-Archivs. Nachdem Friedrich Schillers Literature­rbe Einzug gehalten hatte, wurde es in Goethe-und-Schiller-Archiv umbenannt.

Inzwischen beherbergt es die Nachlässe von 140 Geistesgrö­ßen, zu denen unter anderem Wieland, Heine, Liszt und Nietzsche gehören. Das Haus ist für jedermann zugänglich.

Manchmal wird man von der Kuratorin Dr. Sabine Schimma empfangen oder seltener vom ArchivDire­ktor Dr. Christian Hain. Wird man in spannenden Gesprächen durch die Ausstellun­g „Sophie. Macht. Literatur. Eine Regentin erbt Goethe“, die bis zum 15. Dezember 2024 zu sehen ist, geführt, spürt man die vergangene Geschichte als lebendige Gegenwart, vielleicht auch die Aura der Herzogin Sophie mit ihrer hellen Freude, ihr Lebenswerk auf profession­ellem Niveau weitergefü­hrt zu sehen.

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MICHAEL PRINZ VON SACHSEN-WEIMAR-EISENACH Die Herzogin auf einem Gemälde.

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