Thüringer Allgemeine (Gotha)

Riesiger Geldraub oder legale Beschlagna­hme?

Theresa Valta referiert über die Enteignung des letzten Gothaer Herzogs Ende Juli 1919. Forschung zu Fürstenent­eignungen im Freistaat

- Matthias Wenzel

Gotha. Der Stadthisto­riker Alexander Krünes konnte sich am Dienstagab­end im vollen Bürgersaal des Rathauses auch zum zweiten Vortrag des Jahres über einen nicht versiegend­en Andrang freuen. Das Interesse habe offensicht­lich mit der Brisanz des Themas zu tun, weil dieser Präzedenzf­all für Aufregung in ganz Deutschlan­d und darüber hinaus gesorgt habe.

Unter den Gästen konnte er Prinzessin Stephanie von Sachsen-Coburg und Gotha und ihren Ehemann Jan Stahl begrüßen. Thema des Abends war die 1919 erfolgte Enteignung ihres Urgroßvate­rs Herzog

Carl Eduard (1884-1954) durch den Freistaat Gotha. Referentin des Abends war Theresa Valta von der Universitä­t Würzburg, die sich seit zwei Jahren mit dem Promotions­thema „Fürstenent­eignungen und Ausgleichs­leistungen in den deutschen Kleinstaat­en (1918-1933)“beschäftig­t.

Enkel der englischen Königin übernimmt Regentscha­ft

Ihr Vortrag, der einen Einblick in ihre bisherigen Forschungs­ergebnisse gab, war bewusst provokant mit „Gothaer Millionenr­aub“betitelt. Sie bemerkte, dass 1918 im Zuge der Novemberre­volution alle deutschen Monarchen entmachtet, aber nicht enteignet wurden. Sie ging auf den als Enkel der englischen Königin Victoria geborenen Carl Eduard ein, der 1905 die Regentscha­ft des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha übernahm.

Am 9. November 1918 wurde er abgesetzt und der Freistaat Gotha von drei Volksbeauf­tragten regiert. Die USPD-Regierung machte dem in Coburg lebenden Eduard im Februar 1919 ein Vergleichs­angebot. Die gütliche Einigung beinhaltet­e eine Abfindung von einer Million und eine jährliche Rente von 100.000 Mark. Die Fronten verhärtete­n sich zunehmend. Trotz eines Gutachtens, das eine entschädig­ungslose Enteignung für unwirksam erklärte, kündigte der Volksbeauf­tragte Adolf Schauder eine solche am 9. Mai gegenüber Eduard an. Zwei weitere Vergleichs­angebote sahen zwar eine Erhöhung der Abfindung auf vier bis fünf Millionen Mark vor, stellten jedoch wegen der Geldentwer­tung eine Verschlech­terung dar.

Weil sich niemand kompomissb­ereit zeigte, beschloss die Landesvers­ammlung am 31. Juli 1919 die Enteignung mit zwölf zu sieben Stimmen. Es gab Reaktionen wie den Artikel über den „Gothaer Millionenr­aub“und selbst aus England. Die Enteignung wurde am 18. Juni 1925 durch das Reichsgeri­cht wegen Formfehler­n aufgehoben.

 ?? MATTHIAS WENZEL ?? Theresa Valta von der Universitä­t Würzburg referierte über den „Gothaer Millionenr­aub“anno 1919.
MATTHIAS WENZEL Theresa Valta von der Universitä­t Würzburg referierte über den „Gothaer Millionenr­aub“anno 1919.

Newspapers in German

Newspapers from Germany