Thüringer Allgemeine (Gotha)

Ausnahmeta­lent und Außenseite­r

Mythologis­ches und Surrealist­isches versammelt eine Heinz-zander-schau im Erfurter Angermuseu­m

- Michael Helbing

Erfurt. Es gibt Vorbehalte gegen diesen Maler und die Ausstellun­g, die sich im Angermuseu­m mit ihm beschäftig­t. Das Alterswerk des Heinz Zander, ist auch aus der Fachwelt zu hören, tendiere zu oberflächl­ichem Edelkitsch und sei bei aller handwerkli­chen Könnerscha­ft letztlich unannehmba­r. Dagegen will ihn das Angermuseu­m in den nächsten zweieinhal­b Monaten in Schutz nehmen, in denen, vor dem 85. Geburtstag des körperlich schwer kranken, aber geistig auf der Höhe befindlich­en Künstlers im Oktober, 60 Gemälde und insgesamt 135 Bilder aus sechs Jahrzehnte­n in der Schau „Zeit und Traum“zu sehen sind. „Ihr werdet rausgehen und eine andere Meinung haben!“, ruft Kuratorin Cornelia Nowak den Skeptikern zu.

Wobei das unumstritt­enere kraftvolle frühe und frühere Werk des aus Wolfen stammenden Leipziger Grafikers, Malers und Schriftste­llers dominiert. Das beinhaltet den kompletten eigenen Zander-bestand des Hauses, der seit 1965 angesammel­t wurde und nach einer Personalau­sstellung 1972 in einer „Zander-begeisteru­ng“kulminiert­e, so Nowak. Es ist, nach oder neben dem Panorama-museum Bad Frankenhau­sen, der größte in Thüringen.

Zander-begeisteru­ng gipfelte in zwei Auftragswe­rken

Diese Begeisteru­ng wiederum gipfelte in zwei Aufträgen der Stadt Erfurt, denen jeweils ein Raum gewidmet ist. 1981 sollte er eine Stadtansic­ht malen, die auch vorkommt im vierteilig­en Gemälde: als Zitat jener Ansicht von 1525, die man im Angermuseu­m sehen kann. Zander nahm sich jedoch, subtil und sub

versiv in der Motivwahl, „Das tolle Jahr von Erfurt“zur Brust: die Revolte der Bevölkerun­g gegen ihre Ratsherren 1509/10. Zwei Jahre später folgte das im Hohen Chor der Barfüßerki­rche eingeweiht­e „Luther-triptychon“, das gleichsam mit Tod und Teufel spielt, sehr direkt auch mit Faust und Mephisto zwischen Himmel- und Höllenfahr­t.

Das älteste Werk der Ausstellun­g stammt von 1964 und ist eine von 18 institutio­nellen wie privaten Leihgaben: Das Lindenau-museum Altenburg kaufte damals Zanders vierteilig­en „Der anachronis­tische Zug“nach Brechts Gedicht von 1947 an, worin der Dichter den Opportunis­mus der Nazis nach Kriegsende natürlich nur in Westdeutsc­hland aufspießte und Rufe nach „Freiheit und Democracy“verhöhnte. Zanders Gemälde, das Vorbilder wie Otto Dix oder George Grosz erkennen lässt, setzt auf Fratzen, auf die der in Gestalt des Schauspiel­ers Ekkehard Schall gemalte Brecht zeigt. Zu jener Zeit knüpfte Zander Kontakt zum „Berliner Ensemble“.

Mit 25 entsprang er als „Ausnahmeta­lent“der Leipziger Schule, zu

der Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer oder Werner Tübke gehörten, aber auch als Außenseite­r mit bereits stark surrealist­ischer Ausprägung. Er hatte und behielt einen engen Bezug zur Literatur, der er später selbst Romane und Grotesken zulieferte („Stille Landfahrte­n“, „Das sanfte Labyrinth“, „Das Max-und-moritz-syndrom“).

Seine grafische Beschäftig­ung mit Thomas Mann („Dr. Faustus“und „Der Zauberberg“) ist in Erfurt zu sehen.

Über „Das sanfte Labyrinth“, von Zander selbst illustrier­t, kam Peter Thoms nicht nur zu diesem Künstler, dem er heutzutage aufs Engste verbunden ist, sondern zur bildenden Kunst überhaupt. Der Mühlhäuser Förster war als Sammler und Galerist Zanders ein Leihgeber und Vermittler fürs Angermuseu­m. Als Naturalien­sammler kennt er sich auch aus mit den ironischen wie satirische­n Tiermotive­n, Insekten oft, die Zander symbolhaft verwendet.

Erfurt stellt einen Protagonis­ten mythosbezo­gener Kunst vor, wie Kunsthisto­riker Peter Arlt das nennt, einen schon früh auch internatio­nal anerkannte­n Künstler, der 1976, kurz nach Tübke, in Mailand ausstellen konnte, und jemanden, der sich mit mythologis­chen und surrealist­ischen Motiven strategisc­h „Ansprüchen der aktuellen Kulturpoli­tik in der DDR zu entziehen“wusste, so Museumsche­f Kaiuwe Schierz. Auch als Maler blieb Zander Zeichner: Oft mit roter Farbe umriss er, was er ausmalte. Zander taumelt überm Grat von Illustrati­on und Kunst.

„Male nur, was du siehst“, liest man zu Beginn der Schau und sieht dort Zanders gleichnami­ges (Selbst-)bildnis von 1980. Darin steckt ein Witz: Zander, der sich oft auf griechisch­e Mythologie sowie die Renaissanc­e bezieht, malt vor allem, was er vor seinem inneren Auge sieht: ein skurriles Spiel mit Traum und Wirklichke­it.

Eröffnung (in Abwesenhei­t des schwerkran­ken Künstlers) am 11. Mai, um 16 Uhr. Zu sehen bis 28. Juli. Zur Ausstellun­g ist ein 200 Seiten starker Katalog erschienen.

 ?? SASCHA FROMM (2) ?? Blick in die Ausstellun­g „Heinz Zander – Zeit und Traum“, im Hintergrun­d der Raum für das Auftragswe­rk „Das tolle Jahr von Erfurt“von 1981.
SASCHA FROMM (2) Blick in die Ausstellun­g „Heinz Zander – Zeit und Traum“, im Hintergrun­d der Raum für das Auftragswe­rk „Das tolle Jahr von Erfurt“von 1981.
 ?? ?? Cornelia Nowak hat die Zander-schau kuratiert.
Cornelia Nowak hat die Zander-schau kuratiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany