Der treueste Soldat der Novemberrevolution
Jubilar des Monats: Zum 100. Todestag des Steinbildhauers und Volksbeauftragten Adolf Schauder (1856-1924)
Am 2. Mai 1924 starb in der Wahlheimat Ohrdruf im Alter von 67 Jahren eine „Symbolfigur für die thüringische Arbeiterschaft“, ein „Lassalle oder Bebel der Gothaer Provinz“, der zeitlebens „ein natürlicher Führer des Proletariats“gewesen war. Die Rede ist von dem am 27. Juli 1856 in Lippen bei Neusalz/oder (jetzt Lipiny/polen) geborenen Adolf Schauder. Der Niederschlesier machte eine Ausbildung als Steinbildhauer und begab sich als Geselle auf die Wanderschaft. Wie Wilhelm Bock stieß er in Hamburg zur Sozialdemokratie. Um 1885 heiratete er in Ohrdruf die Schuhmacherstochter Aline Medig.
1886 wurde der Sohn Arthur geboren, drei Jahre später folgte die Tochter Elisabeth. Kurz darauf starb die junge Mutter mit nur 27 Jahren. Schauder schuf für sie das abgebildete Grabdenkmal, das noch heute auf dem Ohrdrufer Friedhof steht. Nachdem er sich in Ohrdruf als Steinbildhauer für Grabdenkmäler niedergelassen hatte, begann er sich sofort auch politisch zu engagieren und wurde bald der leitende Kopf der sozialistischen Arbeiterschaft. Obwohl er sich selbst als „Ohrdrufer Adoptivkind“bezeichnete, erhielt er bereits 1892 zur Stadtverordnetenwahl die meisten Spd-stimmen.
Steinbildhauer macht sich auch als Dichter einen Namen
Vier Jahre darauf wurde er sogar Mitglied des Gothaischen Landtages. Schauder war als ein gewandter Redner bekannt, der unter anderem forderte, keinen Groschen mehr zu Militärzwecken zu bewilligen. Nebenbei machte er sich auch einen Namen als Dichter. So schrieb er 1898 beispielsweise das Eröffnungsgedicht zur Einweihung der elektrischen Zentrale in Ohrdruf. Schauder schrieb auch zahllose Beiträge für das sozialdemokratische und später kommunistische „Gothaer Volksblatt“.
Von nachhaltiger Bedeutung machte sich die Bekanntschaft mit der Familie des Ohrdufer Schneidermeisters Michael Brill. Für den 1895 geborenen Sohn Hermann wurde Schauder zum politischen Ziehvater. Deshalb trat dieser im Herbst 1918 in die Gothaer politische Szene ein. Der 1959 in Wiesbaden verstorbene Brill war später Mitverfasser des „Buchenwalder Manifests“und des Grundgesetzes. Adolf Schauder war 1917 der USPD beigetreten.
Als am 9. November 1918 auch in Ohrdruf ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet wurde, konstituierte sich letzterer nach einer Rede Schauders auf dem Truppenübungsplatz. Am 30. November 1918 wurde er – zusammen mit Emil Grabow und Wilhelm Bock – zu Volksbeauftragten des Freistaates Gotha ernannt, die den bisherigen Vollzugsrat ablösten. Bock schied jedoch am 3. Februar 1919 aus und wurde durch Albin Tenner ersetzt. In dieser bewegten Zeit setzte er sich in Gotha auch ein künstlerisches Denkmal, indem er den Sockel für die von Professor Arthur Bock geschaffene „Goldene Diana“anfertigte, die in der Orangerie Aufstellung fand.
1931 wurde sie in den Palaisgarten umgesetzt und landete 1940 in der „Metallspende des deutschen Volkes“. Schauders Sockel hat dagegen die Zeiten überdauert.
Die drei „roten Landesherren“wurden nach den blutigen Ereignissen des Kapp-putsches am 10. Mai 1920 von konservativen Kräften abgelöst. Noch 1920 trat Schauder der KPD bei, starb jedoch vier Jahre später. In dem Nachruf von Otto Geithner hieß es: „Einer unserer Besten, der treueste Soldat der Revolution, ist dahingegangen, von wo es eine Rückkehr nicht mehr gibt.“
Die Trauerfeier fand am 4. Mai auf dem Ohrdrufer und die Einäscherung tags darauf auf dem Gothaer
Friedhof V statt. Dazu wurde die revolutionäre Arbeiterschaft aufgerufen, ihrem Kämpfer ein letztes Geleit zu geben.
Auf dem Rückmarsch vom Friedhof zum „Volkshaus zum Mohren“kam es jedoch zu einer Polizeischlacht, bei der Fäuste und Gummiknüppel unter anderem auch gegen Frauen und Kinder zum Einsatz
kamen. Die kommunistischen Landtagsabgeordneten Agnes Schmidt und Otto Geithner baten deshalb die Landesregierung um die Klärung des Sachverhaltes und die Bestrafung der Verantwortlichen. Anfang 1925 kam es zu einer erneuten Anfrage, in deren Verlauf sich der Spd-landtagsabgeordnete Hermann Brill vehement für seinen
politischen Mentor einsetzte, der in seinen Augen ein Staatsbegräbnis verdient gehabt hätte. Gleich nach 1945 wurde in Ohrdruf die Reinhardsbrunner in Adolf-schauderstraße umbenannt, weil er seinerzeit in der Nr. 18 gewohnt hatte. Ansonsten erinnert heute so gut wie nichts mehr an diese einst so bedeutende Persönlichkeit.