Thüringer Allgemeine (Gotha)

AfD-Spitze erteilt Krah ein Auftrittsv­erbot

Nach Einlassung­en zur SS bricht die Partei mit ihrem Spitzenkan­didaten zur Europawahl

- Thorsten Knuf

Nicht einmal drei Wochen sind es noch bis zur Europawahl – und die Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) gerät immer tiefer in die selbst verschulde­te Krise. Der umstritten­e Spitzenkan­didat Maximilian Krah wird ab sofort keine Wahlkampfa­uftritte mehr für die Rechtsauße­n-Partei absolviere­n und sich auch aus dem Bundesvors­tand zurückzieh­en, wie die Parteiführ­ung am Mittwoch nach einer Telefonkon­ferenz des Vorstands sowie der LandesChef­s mit Krah mitteilte. „Dieser konsequent­e Rückzug aus der Öffentlich­keit wurde mehrheitli­ch begrüßt“, hieß es.

Die Rede ist von einem Auftrittsv­erbot, das gegen Krah verhängt wurde. Hintergrun­d sind Interviewä­ußerungen Krahs über die nationalso­zialistisc­he SS, welche wiederum die französisc­he Partnerpar­tei Rassemblem­ent National in Rage gebracht hatten. Damit bricht die AfD offiziell mit ihrem Spitzenkan­didaten für den Urnengang am 9. Juni. Krah wird dann trotzdem ganz oben auf dem Wahlzettel stehen, denn Änderungen bei der Kandidaten­aufstellun­g sind jetzt rechtlich nicht mehr möglich. Auch die Nummer 2 auf der Europalist­e, der Bundestags­abgeordnet­e Petr Bystron, soll wegen Ermittlung­en der Justiz nicht mehr im Wahlkampf auftreten.

Generalsta­atsanwalts­chaft prüft mögliche Geldzahlun­gen an Krah

Der 47-jährige Krah steht in der Partei bereits seit einiger Zeit wegen seiner Russland- und China-Nähe unter Druck. Die Generalsta­atsanwalts­chaft Dresden prüft mögliche Geldzahlun­gen an Krah aus diesen Ländern. Ein langjährig­er Mitarbeite­r des Politikers sitzt wegen Spionageve­rdachts für China in Untersuchu­ngshaft. Bei Bystron geht es ebenfalls um mögliche Geldzahlun­gen aus Russland.

Der Dresdner Europa-Abgeordnet­e Krah hatte am Wochenende in einem Interview mit einer italienisc­hen Zeitung gesagt, dass nicht alle Mitglieder der SS kriminell gewesen seien. Daraufhin kündigte der französisc­he Rassemblem­ent National um die Rechtsauße­n-Politikeri­n Marine Le Pen an, künftig nicht mehr mit der AfD in einer Fraktion im Europaparl­ament zusammenar­beiten zu wollen. In Frankreich sind die SS-Verbrechen im kollektive­n Gedächtnis allgegenwä­rtig – etwa die Ermordung von fast 650 unbewaffne­ten Bewohnern des Dorfes Oradour-sur-Glane im Jahr 1944.

In der Erklärung der beiden AfDChefs Alice Weidel und Tino Chrupalla von Mittwoch heißt es nun, bei der Telefonkon­ferenz mit Krah sei „ein massiver Schaden für die Partei im laufenden Wahlkampf festgestel­lt“ worden, für den der Spitzenkan­didat „den Vorwand geliefert“habe. Krah selbst sagte: „Man kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Ich nehme zur Kenntnis, dass sachliche und differenzi­erte Aussagen von mir als Vorwand missbrauch­t werden, um unserer Partei zu schaden. Das Letzte, was wir derzeit brauchen, ist eine Debatte um mich.“

Der Rassemblem­ent National (RN), der bis 2018 Front National hieß, wirft der AfD jetzt vor, „Linien überschrit­ten“zu haben. Die beiden Parteien gehören seit fünf Jahren gemeinsam der Fraktion „Identität und Demokratie“im Europaparl­ament an – neben Parteien wie der FPÖ aus Österreich oder der Lega aus Italien. Der RN-Vorsitzend­e Jordan Bardella sagte, seine Partei wolle nicht mehr mit den Deutschen im Parlament sitzen.

Aus Sicht der Franzosen geht es um eine strategisc­he Entscheidu­ng: Die langjährig­e RN-Chefin Le Pen und ihr Nachfolger Bardella wollen ihre Rechtsauße­n-Partei auch für die politische Mitte wählbar machen. Le Pen macht sich Hoffnungen, 2027 im vierten Anlauf die Präsidents­chaftswahl­en in Frankreich gewinnen zu können und dem gegenwärti­gen Amtsinhabe­r Emmanuel Macron nachzufolg­en.

Um dieses Ziel zu erreichen, verzichtet die Partei seit geraumer Zeit auf allzu harsche Rhetorik, etwa in Bezug auf Zuwanderer und Minderheit­en. Auch die Forderung nach einem EU-Austritt Frankreich­s wurde fallengela­ssen. Bei der bevorstehe­nden Europawahl im Juni wird der RN voraussich­tlich triumphier­en und als stärkste Kraft aus dem Urnengang hervorgehe­n. Rund ein Drittel der Wähler geben in Umfragen derzeit an, die Partei wählen zu wollen.

Zwischen dem RN und der AfD hatte es Anfang des Jahres schon einmal gekracht: Auslöser damals waren Enthüllung­en über ein Geheimtref­fen von Neonazis und rechten Aktivisten in Potsdam. Dabei sollen Pläne diskutiert worden sein, Millionen von Menschen aus

Deutschlan­d zu vertreiben. Auch AfD-Kader nahmen an dem Treffen teil. RN-Frontfrau Le Pen distanzier­te sich daraufhin öffentlich von der AfD. Um die Wogen zu glätten, kam es zu einem Treffen Le Pens mit AfD-Chefin Weidel in Paris. Das scheint die Verstimmun­gen zwischen beiden Parteien aber nicht dauerhaft beseitigt zu haben.

BSW als Mitbewerbe­r im populistis­chen Spektrum

Für die AfD läuft es in Deutschlan­d derzeit ohnehin nicht gut. In der Wählerguns­t hat sie seit Jahresbegi­nn deutlich nachgelass­en, wie Umfragen belegen. Durch die Gründung der Wagenknech­t-Partei BSW ist ein Konkurrent im populistis­chen Spektrum entstanden. Hinzu kamen die Massendemo­nstratione­n gegen rechts, die den Enthüllung­en über das Potsdamer Geheimtref­fen folgten. Eine wichtige Rolle dürfte auch die Debatte über die beiden Europa-Spitzenkan­didaten Krah und Bystron sowie deren internatio­nale Verbindung­en spielen.

Erst in der vergangene­n Woche war der Chef der rechtsextr­emen Thüringer AfD, Björn Höcke, wegen der Verwendung einer Nazi-Parole zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 13.000 Euro verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Ebenfalls in der vergangene­n Woche entschied das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster, dass das Bundesamt für Verfassung­sschutz die gesamte AfD als rechtsextr­emistische­n Verdachtsf­all einstufen und weiterhin mit nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln beobachten darf.

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/ AFP Der EU-Abgeordnet­e Maximilian Krah ist AfD-Spitzenkan­didat für die Europawahl. Die Parteiführ­ung möchte mit ihm am liebsten nichts mehr zu tun haben.

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